Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Unterkunft und Heizung. unangemessene Heizkosten. Stromkostennachforderung. Beheizung teils durch Elektrospeicherheizung. Abgrenzung der Kosten für Haushaltsenergie von den Kosten für Heizstrom durch Schätzung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Erfassung des Stromverbrauchs mit nur einem Zähler kann zur Differenzierung zwischen vom Regelsatz umfassten Stromkosten (Haushaltsstrom) und Stromkosten als Kosten der Unterkunft (Heizkosten) geschätzt werden (Anschluss an BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R und LSG Stuttgart Urteil vom 23.10.2009 - L 12 AS 4179/08).

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2009 insoweit abgeändert, als der Beklagte nur zur Zahlung von 503,37 € verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.

Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme einer Nachforderung für Strom.

Die am … 1968 geborene Klägerin ist am 13.02.2006 in den O. gezogen. Sie bewohnte eine 2-Zimmer-Wohnung (Wohnzimmer 16,5 m², Schlafzimmer 14,5 m²) mit Küche (14 m²), Bad (6 m²) und Flur (5 m²) mit insgesamt 56 m² Wohnfläche. Die Größe wurde vom Leistungsträger wegen einer attestierten Panikstörung mit zusätzlichem Bedarf an Wohnraum als angemessen anerkannt. Beheizt wurde die Wohnung in der Küche und im Schlafzimmer mit einem Ölofen, im Wohnzimmer mit einer im Jahre 2002 nachgerüsteten EVO-Tagesspeicherheizung. Im Bad waren ein Warm-Wasser-Boiler und ein Durchlauferhitzer zur Warmwasserbereitung an den Strom angeschlossen. Der monatliche Abschlag für Strom an den Energieversorger, Elektrizitätswerk Mittelbaden (im Folgenden: E-Werk) betrug 45 €, die die Klägerin zahlte.

Bis zur Feststellung der vollen Erwerbsminderung bezog sie vom 01.03.2006 bis 30.06.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Kommunalen Arbeitsförderung O., Außenstelle W., die auch Trägerin der Kosten der Unterkunft war. Hier erhielt die Klägerin anteilige Heizkosten für Öl in Höhe von 96,33 € (Bescheid vom 14.03.2006, Bl. 139 VA). Seit 01.06.2006 bezieht sie von dem Beklagten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII). Für den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2006 bis 30.06.2007 berücksichtigte der Beklagte nur die kalten Mietkosten in Höhe von 260 € (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006, Bl. 71 VA, Änderungsbescheid vom 25.09.2006, Bl. 231ff VA). Im Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII vom 08.06.2006 hatte die Klägerin zu den Kosten der Heizung angegeben, dass sie diese noch nicht einschätzen könne. Die Wohnung sei mit einer Einzelofenheizung ausgestattet, für die Heizöl benötigt werde. Auf ihren Antrag vom 22.09.2006 hin, wonach sie Öl für ihre Öfen benötige, gewährte die Beklagte der Klägerin eine Brennstoffbeihilfe in Höhe von 583 € für Oktober 2006 (vgl. Anlage zum Bescheid vom 20.03.2007, Bl. 275 VA). Die Klägerin kaufte 800 l Heizöl (Rechnung vom 30.10.2006, Bl. 491 VA).

Mit der Stromabrechnung vom 06.03.2007 forderte das E-Werk von der Klägerin für den Abrechnungszeitraum vom 13.02.2006 bis 24.01.2007 nach Abzug zuvor geleisteter Abschläge den Nachzahlbetrag von 1.102,91 € und erhöhte den monatlichen Abschlag ab 01.04.2007 auf 169 €, auf den die Klägerin weiterhin 45 € zahlte. Der Gesamtverbrauch an Strom im HT-Bezug im Abrechnungszeitraum betrug 8.179 kWh (Gesamtkosten 1.597,91 €).

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 15.03.2007 beim Beklagten die Übernahme der Stromschulden und bot Schuldentilgung in monatlichen Raten zu 20 € an. Den hohen Stromverbrauch konnte sie sich nicht erklären, zumal ihre Vormieterin auch nur einen Stromabschlag von 49 € gehabt habe. Zum 01.06.2007 zog die Klägerin wegen der hohen Kosten in eine andere Wohnung um.

Mit Schreiben vom 27.06.2007 versuchte die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin den hohen Stromverbrauch dadurch zu erklären, dass sie die Wohnung nicht nur mit Öl, sondern im Wohnzimmer mit der unwirtschaftlichen Elektro-Speicherheizung, die mit teurem Tagstrom betrieben wird, geheizt habe. Es bestehe auch der Verdacht auf Stromdiebstahl durch einen Mitmieter, der sich allerdings bei einer Überprüfung der Anlage durch das E-Werk im Nachhinein nicht mehr habe feststellen lassen. Die jeweiligen Verbrauche seien nicht quantifizierbar, eine Abgrenzung praktisch unmöglich. Durch eingeschränkte Nutzung der Speicherheizung und wärmere Witterung haben die Abschlagszahlungen bis auf einen Differenzbetrag von 54,21 € für den letzten Abrechnungszeitraum vom 25.01. bis 28.05.2007 gereicht. Die Klägerin wies auf die Ankündigung der Stromsperre hin, die für sie als insulinpflichtige Diabetikerin, die auf einen Kühlschrank angewiesen sei, schwerste Gefahr für Leib und Leben bedeute. Das E-Werk habe bei Auszug der Klägerin unter Berücksichtigung der ...

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