Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Einsatzgemeinschaft mit dem nicht getrennt lebenden Ehegatten. Verweigerung der Verwertung einer Eigentumswohnung im Ausland. Fehlen bereiter Mittel. Leistungserbringung durch den Sozialhilfeträger. Kostenersatzanspruch nach § 103 Abs 1 SGB 12 oder Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs 5 SGB 12. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 2/17 R

 

Leitsatz (amtlich)

Steht das vorhandene und grundsätzlich verwertbare Vermögen zum Zeitpunkt des Sozialhilfebedarfs auf Grund einer Willensentscheidung des zur Verwertung Verpflichteten noch nicht als "bereite Mittel" zur Verfügung, ist die Berücksichtigung des Vermögens zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.

 

Orientierungssatz

1. Ungeschriebenes zusätzliches Tatbestandsmerkmal des § 90 Abs 1 SGB 12 ist, dass als Vermögen nur solches zu berücksichtigen ist, das im Bedarfszeitraum zur Existenzsicherung eingesetzt werden kann.

2. Ist der Ehegatte des Leistungsberechtigten während des gesamten Bedarfszeitraumes nicht bereit, seine Eigentumswohnung im Ausland einer entsprechenden Verwertung (durch Verkauf oder Beleihung) durchzuführen, müssen Leistungen der Sozialhilfe ohne Berücksichtigung dieser Eigentumswohnung als Vermögen gewährt werden.

3. Der Sozialhilfeträger kann in diesen Fällen einen Kostenersatzanspruch nach § 103 Abs 1 SGB 12 geltend machen. Denkbar ist aber auch ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs 5 SGB 12.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts H. vom 15. März 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt als Pflegeheimträgerin aus übergeleitetem Recht die Zahlung von Pflegeheimkosten, die für die am 18. September 2015 verstorbene G. angefallen sind.

Die 1923 geborene G. wurde nach Krankenhausbehandlung in den S.-Kliniken H. GmbH am 2. Oktober 2014 in die Pflegeeinrichtung Seniorenresidenz S. der Klägerin verlegt und dort bis zu ihrem Tod am 18. September 2015 stationär untergebracht und gepflegt. Am 2. Oktober 2014 beantragte die S.-Kliniken H. GmbH für G. bei der Beklagten die Gewährung von Sozialhilfe zur vollstationären Unterbringung von G. Kurze Zeit darauf ging der Formantrag auf Gewährung von Sozialhilfe bei der Beklagten ein. Bis zu ihrer stationären Aufnahme in das Pflegeheim der Klägerin hatte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann eine Mietwohnung in K. bewohnt. Dieser hatte die Mietwohnung bis Ende 2015 inne. Am 2. Oktober 2014 bereits kam der Wohn- und Betreuungsvertrag zwischen der Klägerin und G. zustande. Für die Mietwohnung in K. waren im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 565,21 € an (Warm-)Miete zu zahlen. G. war während des gesamten Zeitraums der Unterbringung in der Einrichtung der Klägerin einkommens- und vermögenslos. Der Ehemann der Klägerin bezog in diesem Zeitraum eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft - Bahn-See in Höhe von monatlich 471,32 € und eine Betriebsrente in Höhe von 134,37 €. G. erhielt von der Bahn-BKK Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II ab 19. November 2014 in Höhe eines pauschalen Leistungsbetrags von monatlich 1.279,00 €. Für die zuvor vom 26. Oktober bis 18. November 2014 in der Einrichtung der Klägerin gewährte Urlaubs- bzw. Verhinderungspflege übernahm die Bahn-BKK die Kosten bis zu dem Gesamtbetrag von 1.550,00 €. Mit Schreiben vom 6. Januar 2015 teilte der Bevollmächtigte der Eheleute G. der Beklagten mit, dass es sich bei der Wohnung des Ehegatten von G. nicht um eine Ferienwohnung handele; die Wohnung befinde sich in I./Ü.. Die Wohnung sei zuletzt ausschließlich vom Ehemann von G. benutzt worden, weshalb es sich um geschütztes Vermögen handele. Der Ehegatte von G. wohne in dieser Wohnung mehrere Monate im Jahr wegen der in der Türkei geringeren Lebenshaltungskosten. Mit diesem Schreiben beantwortete der Bevollmächtigte das Schreiben der Beklagten vom 4. November 2014, mit dem diese mitteilte, dass aus früheren Leistungsverfahren bekannt sei, dass die Eheleute G. eine Ferienwohnung in der Türkei besäßen, bei der es sich um nicht geschütztes Vermögen handele, welches zunächst für die Bezahlung der Pflegeheimkosten einzusetzen sei. Sofern kein Nachweis über den Verkauf dieser Wohnung sowie über den Verbleib des Verkaufserlöses vorgelegt werde, müsse der Sozialhilfeantrag abgelehnt werden. Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest, bei der Wohnung in I. handele es sich nicht um geschütztes Vermögen. Die Eheleute G. lebten seit 7. Juli 1977 in K. und hätten seit dieser Zeit dort ihren Lebensmittelpunkt. Ein schutzwürdiges Interesse am Erhalt der Wohnung liege daher nicht vor. Die Wohnung sei als verwertbares Vermögen anzusehen und schnellstmöglich zu verkaufen. Mit Schreiben vom 2. Februar 2015 stellte der Bevollmächtigte der Eheleute G. die Renteneinkünfte des Ehegatten von G. dar und erklärte weiter, dass er demgegenüber aber verpf...

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