Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Einrichtung Dritter. sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis. Vergütung. Kündigung des Heimvertrages. sonstiger wichtiger Grund

 

Orientierungssatz

1. Bedient sich der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung des einem Behinderten zustehenden Anspruchs auf Eingliederungshilfe der stationären Einrichtung (§ 13 Abs 1 SGB 12) eines Dritten, umfasst der Hilfeanspruch im Rahmen des dadurch entstehenden sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses auch die Übernahme des dem Behinderten dort in Rechnung gestellten Entgelts.

2. Der Vergütungsübernahmeanspruch eines Behinderten aus § 75 Abs 3 SGB 12 setzt eine heimvertraglich wirksame Entgeltverpflichtung des Heimbewohners voraus. Er kann nur insoweit bestehen, als es zwischen dem Heimträger und dem Träger der Sozialhilfe eine generelle oder individuelle Vereinbarung über den entsprechenden Leistungstyp und die Vergütungshöhe gibt.

3. Durch das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis wird der im Sozialhilferecht geltende Bedarfsdeckungsgrundsatz nicht aufgehoben. Das bedeutet, dass Inhalt und Beschränkungen der Vereinbarung zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Einrichtungsträger den Anspruch des Betroffenen auf Eingliederungshilfe, die den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Hilfebedarf deckt, grundsätzlich nicht berühren.

4. Ein sonstiger wichtiger Grund iS des § 8 Abs 3 HeimG kann nicht im Scheitern oder in der Verzögerung von Vertragsverhandlungen der Verbände der Einrichtungsträger mit den Trägern der Sozialhilfe und den kommunalen Spitzenverbänden gesehen werden. Somit ist die Kündigung wegen fehlender Finanzierung besonderer, im Rahmenvertrag nicht vorgesehener Leistungen nicht zulässig.

5. Auch die nach § 75 Abs 4 S 3 SGB 12 individuell festzusetzende Vergütung wird grundsätzlich durch die nach § 75 Abs 3 SGB 12 geschlossenen Vereinbarungen gebunden bzw begrenzt. Bei diesem System ist es regelmäßig nicht vorgesehen, im Einzelfall trotz bestehender Leistungs- und Vergütungsvereinbarung eine über deren Inhalt hinausgehende Vergütung zu erreichen. Voraussetzung hierfür ist vielmehr ein vertragsloser Zustand.

 

Tatbestand

Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Ulm (SG), mit welchem er im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme einer höheren Vergütung im Rahmen der Eingliederungshilfe für die stationäre Unterbringung der Antragstellerin in einer Behinderteneinrichtung verpflichtet worden ist.

Die 1965 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung behindert. Neben einer geistigen Behinderung bestehen Verhaltensstörungen in Form von Aggressionsausbrüchen und zwanghaften Verhaltensweisen. Sie befindet sich jedenfalls seit 1990 in einer stationären Einrichtung der Stiftung Haus L. in S. Hierfür existiert ein am 26. Oktober 2004 (mit Wirkung vom 9. November 1987) geschlossener, schriftlicher Heimvertrag. Von Beginn der Unterbringung in der Einrichtung an übernahm der frühere Landeswohlfahrtsverband W.-H. (LWV) die ungedeckten Kosten dieses stationären Aufenthaltes im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte. Seit dem Januar 2005 ist der Antragsgegner Kostenträger. Ab dem Februar 2002 wurde die Antragstellerin unter Verbleib in der Einrichtung in einen landesweiten Modellversuch aufgenommen. Dieser wurde in einer zwischen den Verbänden der Einrichtungsträger und dem LWV ab 1. Februar 2002 geltenden “Vereinbarung über die auf drei Jahre befristete modellhafte Erprobung des Leistungstyps I.7 (§ 93 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - i.V.m. § 93a Abs. 1 BSHG)" festgelegt, die bis zum 31. Dezember 2004 befristet war. Die ungedeckten Kosten der Betreuung der Antragstellerin in den auf der Grundlage des Modellversuchs gebildeten therapeutischen Wohngruppen im Haus L. wurden nach dem genannten Leistungstyp I.7 vom LWV bis zum 31. Januar 2005 übernommen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2005 kündigte die Stiftung Haus L. den Heimvertrag zum 30. Juni 2005 mit der Begründung, mangels Finanzierung könnten die bisherigen Betreuungsleistungen nicht mehr erbracht werden. Den Antrag der Betreuerin auf weitere Übernahme der bisherigen Kosten lehnte der Antragsgegner ab. Seit dem Februar 2005 übernimmt er entsprechend einem Bescheid vom 17. August 2005 die Kosten der Unterbringung nach dem Leistungstyp I.2.1 i.V.m. der Hilfebedarfsgruppe 4.5 und Förder- und Betreuungsmaßnahmen (181,20 € täglich). Demgegenüber betrug der Vergütungssatz für den im Modellversuch erprobten Leistungstyp I.7 zuletzt 211.38 € täglich.

Der nunmehr vom Antragsgegner zur Grundlage gemachte Leistungstyp beruht auf dem Rahmenvertrag nach § 93d Abs. 2 BSGH vom 15. Dezember 1998 in der Fassung vom 11. Juli 2001, der zwischen den Verbänden der Heimträger - u.a. dem Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V. - und den Kostenträgern der Sozialhilfe - u.a. dem LWV und dem Landkreistag Baden-Württemberg - geschlossen worden ist (Rahmenvertrag). Dieser regelt nach seinem § ...

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