Rz. 8

Abs. 1 enthält unmittelbare Mitwirkungspflichten, die der Antragsteller, Leistungsempfänger oder Erstattungspflichtige zu erfüllen hat. Die weiteren Mitwirkungspflichten (Abs. 2, §§ 61 bis 64) sind als Soll-Vorschrift ausgestattet und bringen damit zum Ausdruck, dass die Mitwirkung nicht erzwungen werden kann und soll.

 

Rz. 9

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 verpflichtet zur Angabe aller Tatsachen, die für die Leistung erheblich sind. Damit bringt der Gesetzgeber zunächst zum Ausdruck, dass für die Entscheidung über die Leistung nicht relevante Tatsachen nicht nur nicht angegeben werden müssen, sondern schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beim Betroffenen erhoben werden dürften. Richtig wäre es dennoch, wenn das Gesetz zur Angabe von Tatsachen verpflichtete, die für die Leistung erheblich sein können. Denn in der Verwaltungspraxis ist es der Leistungsträger, der über die Erheblichkeit von Angaben zu entscheiden hat und nicht derjenige, der die Leistung begehrt. Die Mitwirkungspflicht umfasst insbesondere auch die Vorbereitung der Entscheidung über die begehrte Leistung. Das bedeutet, dass der Bürger alle Tatsachen angeben muss, die mit der Leistung in irgendeinem, noch so entfernten Zusammenhang stehen, und es dann dem Leistungsträger überlassen bleibt, über die Relevanz zu befinden. Sie müssen also vollständig und wahr angegeben werden. Tatsachen sind bezogen auf die jeweilige Leistung, die begehrt oder bezogen wird, zu definieren. Es können z. B. auch finanzielle Auskünfte bezogen auf die Zukunft verlangt werden, etwa in Bezug auf den nächsten Bewilligungszeitraum i. S. d. § 41 Abs. 3 SGB II. Das betrifft auch Selbstständige (BSG, Urteil v. 28.3.2013, B 4 AS 42/12 R). Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass z. B. die Höhe der Einkünfte selbstständig erwerbstätiger Personen vielfach in größerem Umfang mit Unsicherheiten behaftet sind als bei anderen Einkunftsarten. Bei den Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit handelt es sich auch um Tatsachen i. S. v. Abs. 1.

Ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung im Alter ist bereits bei Antragstellung und damit vor Beginn des Leistungsbezugs gegenüber dem Grundsicherungsträger zur Auskunft und Mitwirkung in Bezug auf alle Angaben und Informationen verpflichtet, die zur Ermittlung des Leistungsanspruchs erforderlich sind. Ist zur Ermittlung eines Hilfebedarfs die Vorlage von Kontoauszügen durch den Hilfeempfänger erforderlich, so ist eine Schwärzung nur für solche in den Auszügen enthaltenen Angaben zulässig, deren Kenntnis durch den Grundsicherungsträger nicht zur Ermittlung des Hilfebedarfs erforderlich ist (SG Marburg, Beschluss v. 29.7.2021, S 9 SO 40/21 ER).

 

Rz. 9a

Durch belastende generelle Lebensumstände entfallen die Mitwirkungspflichten nicht. Wird die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich, weil sich der Leistungsträger die notwendigen Informationen weder aus dem unmittelbaren Lebensbereich des Antragstellers selbst beschaffen kann und ihm auch kein Rückgriff auf frühere Informationen möglich ist, liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht vor (Bay. LSG, Beschluss v. 20.10.2011, L 7 AS 872/10). Trägt der Leistungsträger die materielle Beweislast dafür, dass ein Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig war, genügt es, wenn sich Angaben des Leistungsempfängers als von Anfang an unwahr erweisen, ohne dass anderweitige positive Feststellungen zum Sachverhalt möglich sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 12.9.2013, L 15/6 AS 1102/09). Das Nichterscheinen eines Arbeitslosen in der Agentur für Arbeit nach einer Meldeaufforderung kann nicht nur ein gewichtiges Indiz für das Fehlen von Verfügbarkeit und damit das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld nach dem Recht der Arbeitsförderung, sondern auch für die Verletzung der Obliegenheiten des Arbeitslosen zur Angabe von Tatsachen und zum persönlichen Erscheinen nach den für alle Sozialleistungen geltenden Mitwirkungsvorschriften und damit Grund für eine Entziehung oder Versagung der Leistung sein. Die allgemeinen Mitwirkungsvorschriften sind insoweit neben der speziellen Regelung des SGB III zur Meldeaufforderung (§ 309 SGB III) anwendbar (BSG, Urteil v. 14.5.2014, B 11 AL 8/13 R). Mitwirkungspflichtige Personen müssen aber nicht unerhebliche Tatsachen mitteilen und sind zur Mitwirkung auch nicht bei Unverhältnismäßigkeit oder Übermaß verpflichtet.

 

Rz. 9b

Hilfreich stellt sich die Verwendung von Vordrucken dar. Damit hat der Leistungsträger die Möglichkeit, das gesamte Spektrum an Tatsachen, die für die Leistungen erheblich sein können, abzugreifen. Bei der Vordruckgestaltung hat er allerdings darauf zu achten, dass nicht alle möglicherweise relevanten Tatsachen in Gänze erfragt werden und zu schildern sind, ohne dass feststeht, ob sie Relevanz für die Entscheidung über die Leistung haben. Deshalb sind Fragen vom Allgemeinen zum Speziellen so zu schachteln, dass ein Fragenkomplex sofort verlassen werden kann, wenn eine Teilfrage m...

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