Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung von Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung. Beantragung von Sozialleistungen. Verletzung der Pflicht zur Angabe von Tatsachen (hier: zur Vorlage von Unterlagen). Unmöglichkeit der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen. Ermessensausübung. gerichtliche Überprüfbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit die Leistungsvoraussetzungen wegen mangelnder Mitwirkung nur teilweise nicht nachgewiesen sind, ist nur eine teilweise Versagung für den Teilbetrag möglich.

2. Ermessen bedeutet, dass die Behörde einzelfallbezogene Erwägungen in die Entscheidung einzustellen hat.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil vom 28. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind zwei Versagungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin bezog von der Beklagten ab 01.04.2006 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ihre drei Kinder (geboren 1993,1994 und 1997) erhielten wegen bedarfsdeckendem eigenen Einkommen (Unterhalt und Kindergeld) keine Leistungen. Ab November 2007 nahm die Klägerin eine zunächst auf 18 Monate befristete Teilzeittätigkeit auf. Nach mehreren erfolglosen Anforderungen von Nachweisen zu Einkommen und Kosten der Unterkunft wurden die Leistungen mit Bescheid vom 14.12.2007 gemäß § 66 SGB I versagt. Nachdem Unterlagen nachgereicht wurden, wurden Leistungen für Oktober 2007 von rund 28,- Euro, für November 2007 von 8,62 Euro und für Februar 2008 von 15,57 Euro bewilligt. Für die Zeit danach wurden Leistungen wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt (Bescheide vom 22.04.2008, 24.07.2009 und 06.08.2009).

Mit Schreiben vom 01.09.2009 beantragte die Klägerin über ihren bevollmächtigten Vater erneut Leistungen nach dem SGB II ohne irgendwelche Unterlagen beizufügen. Mit Schreiben vom 07.09.2009 wurde der Bevollmächtigte aufgefordert, für die Klägerin bis 24.09.2009 die Antragsunterlagen Grundantrag, Anlage Kinder, Anlage Einkommen, Anlage Vermögen, Anlage KDU und Anlage Unterhalt sowie Einkommensbescheinigungen vorzulegen. Auf die Mitwirkungspflicht und die mögliche Rechtsfolge der Versagung wurde hingewiesen. Auf Antrag des Bevollmächtigten wurde der Abgabetermin auf den 15.10.2009 und dann nochmals bis 03.11.2009 verlängert. Unterlagen wurden nicht übermittelt.

Mit Bescheid vom 26.11.2009 wurden Leistungen gemäß § 66 SGB I versagt. Ermessen sei ausgeübt worden. Die angeforderten Unterlagen seien für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend erforderlich. Die Termine zur Antragsabgabe seien nicht wahrgenommen worden. Die Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen worden. Mit Schreiben vom 31.12.2009 wurde Widerspruch eingelegt, der trotz Aufforderung und Fristverlängerung nicht begründet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2010 wurde der Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Die Antragsunterlagen seien in den auf die Antragstellung folgenden knapp drei Monaten weder eingereicht worden noch sei ein wichtiger Grund für die fehlende Einreichung der Unterlagen vorgetragen worden. Die vollständige Versagung sei unter diesen Gesichtspunkten rechtmäßig.

Am Montag, den 12.04.2010, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht München (Az. S 46 AS 969/10). Der Bescheid vom 26.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2010 sei aufzuheben, weil die Klägerin infolge der Auseinandersetzungen mit ihrem vormaligen Ehemann um Unterhalt und Sorgerecht sehr belastet gewesen sei. Es seien viel zu viele Unterlagen angefordert worden.

Bereits mit Schreiben vom 30.12.2009 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin. Mit Schreiben vom 13.01.2010 wurde der Bevollmächtigte aufgefordert, bis 30.01.2010 im Einzelnen bezeichnete Unterlagen vorzulegen. Auf die Mitwirkungspflicht und die mögliche Rechtsfolge der Versagung wurde hingewiesen. Unterlagen wurden nicht übermittelt.

Mit Bescheid vom 18.02.2010 wurden Leistungen gemäß 66 SGB I versagt. Ermessen sei ausgeübt worden. Die angeforderten Unterlagen seien für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend erforderlich. Die Anspruchsvoraussetzungen könnten nicht geprüft werden. Es seien keine Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen, die zu Gunsten der Klägerin hätten berücksichtigt werden können. Mit Schreiben vom 22.03.2010 wurde Widerspruch eingelegt, der nicht begründet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die erforderlichen Unterlagen seien nach wie vor nicht eingereicht worden. Ohne diese Unterlagen sei eine Bearbeitung nicht möglich. Das Ermessen sei daher rechtmäßig ausgeübt worden.

Am 19.04.2010 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht ...

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