Rz. 23

Die Regelung über die Anrechnung der Vorschüsse auf die zustehende Leistung beinhaltet und setzt voraus, dass Vorschuss und zustehende Leistung nicht identisch sind. Der Vorschuss ist vielmehr eine eigene und eigenständige Leistung, sonst hätte die Fiktion der Erfüllung (vgl. z. B. § 107 SGB X) der eigentlichen Leistung durch die Vorschusszahlung ausgereicht.

 

Rz. 24

Bei der Anrechnung handelt es sich dem Grunde nach um einen Sonderfall der Aufrechnung, bei der jedoch die zeitliche Gegenseitigkeit und die Beschränkungen des § 51 nicht gelten. Sie kann ohne vorherige Aufhebung des Vorschussbescheides erfolgen, da dieser sich mit der endgültigen Entscheidung erledigt. Aufgrund des vorläufigen Charakters der Vorschusszahlung besteht auch kein Vertrauensschutz gegenüber der Einstellung der Vorschusszahlung oder der Anrechnung. Insbesondere hat der Leistungsträger, der den Vorschuss erbracht hat, für die Anrechnung keinen Ermessensspielraum (vgl. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 42 Rz. 18). Angerechnet werden kann jedoch nur mit den als Vorschüssen auf die künftige Leistung geleisteten Zahlungen. Dabei ist unerheblich, auf welchen Gründen die zu hohe Vorschusszahlung beruht. Auch wenn sich im Verlauf des Verwaltungsverfahrens über die Höhe der eigentlichen Leistung herausstellt, dass der Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestand, ist nach Abs. 2 Satz 2 der Vorschuss zu erstatten (vgl. BSG, Urteil v. 26.6.2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr. 1). Auch bei Berechnungsfehlern für die Höhe des Vorschusses nach der voraussichtlichen Hauptleistung können diese im Bescheid über den endgültigen Anspruch korrigiert werden und führen zur Erstattungspflicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.6.2006, L 10 U 3578/05). Andere gegen den Berechtigten bestehenden Ansprüche können nur unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen mit dem verbleibenden Nachzahlungsbetrag aufgerechnet oder gepfändet werden.

 

Rz. 25

Im Regelfall wird die Anrechnung in der Weise vorgenommen, dass den festgestellten endgültigen Leistungen und Nachzahlungsbeträgen die Vorschusszahlungen insgesamt gegengerechnet werden. Insoweit ist die Anrechnung auch nicht nur zeitbezogen nach den Ansprüchen und Vorschusszahlungen begrenzt vorzunehmen. Die Anrechnung kann vielmehr auch für Leistungen einer Zeit vorgenommen werden, in der (noch) keine Vorschüsse erbracht worden waren oder die zu beanspruchende Leistung geringer war als der Vorschuss. Durch die Anrechnung der Vorschüsse erlöschen die im endgültigen Bescheid festgestellten Leistungsansprüche und auch der grundsätzliche Erstattungsanspruch aus der eigenständigen Vorschusszahlung in Höhe der angerechneten Vorschüsse durch jeweilige Erfüllung.

 

Rz. 26

Verbleibt nach der Anrechnung noch ein nicht durch Anrechnung erloschener Leistungsanspruch, ist dieser nachzuzahlen und ggf. nach § 44 zu verzinsen. War der Betrag der Vorschusszahlung höher als die Nachzahlung, entsteht und verbleibt ein Erstattungsanspruch.

 

Rz. 27

Zur Anrechnung des Vorschusses auf die zustehende Leistung ist der Leistungsträger grundsätzlich verpflichtet. Das BSG (Urteil v. 30.5.1984, 5a RKn 3/84, BSGE 57 S. 38) hat daraus gefolgert, dass bei einer versehentlich unterlassenen Anrechnung von Vorschüssen auch eine Erstattungspflicht nach Satz 2 oder § 50 SGB X nicht mehr besteht. Diese Auffassung wird dem Zweck und vorläufigen Charakter der rechtlich eigenständigen Vorschusszahlung sowie der Regelung der Anrechnung nicht gerecht. Die eigenständige Vorschussbewilligung und -zahlung genießt gerade keinen Vertrauensschutz nach §§ 45 ff. SGB X, so dass auch kein Grund besteht, dem Empfänger diese Leistung zu belassen, wenn und weil die rechtmäßig zustehende Leistung tatsächlich in vollem Umfang erbracht wird. Eine Einschränkung dahingehend, dass der Erstattungsanspruch nur durch Anrechnung geltend gemacht werden kann, lässt sich Abs. 2 gerade nicht entnehmen. Man wird daher auch bei einer unterlassenen Anrechnung weiterhin von einem Erstattungsanspruch ausgehen müssen, der allerdings nur unter Beachtung der allgemeinen Schutzvorschriften (§§ 51 ff.) durchsetzbar ist.

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