Rz. 3

Nach Abs. 1 Satz 1 gehen folgende zivilrechtliche Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten (!) kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger über:

  • Ehegattenunterhalt nach §§ 1360 ff. BGB,
  • Geschiedenenunterhalt nach §§ 1569 ff. BGB,
  • Unterhalt der Verwandten in gerader Linie nach §§ 1601 ff. BGB (vertiefend zum auf Elternunterhalt in Anspruch genommene Kinder: Klatt, ZFE 2006 S. 167, 169 ff.; Glatzel, NZS 2016 S. 220),
  • Unterhalt der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner nach §§ 5, 12, 16 LPartG.

Der Übergang setzt zunächst voraus, dass der Unterhaltsanspruch nach den vorgenannten zivilrechtlichen Bestimmungen besteht. Die Gewährung von Sozialhilfe ist unterhaltsrechtlich nicht als bedarfsdeckende Leistung mit der Folge anzusehen, dass damit die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und zugleich sein Unterhaltsanspruch entfiele (BGH, Urteil v. 27.9.2000, XII ZR 174/98, Rz. 13). Neben der Bedürftigkeit des Leistungsberechtigten ist der Unterhaltsanspruch vor allem von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen abhängig. Auch gegenüber dem Sozialhilfeträger hat dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Betrag seines monatlichen laufenden Einkommens zur Deckung des seiner allgemeinen Lebensstellung entsprechenden Bedarfs zu verbleiben. Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit und des Bedarfs kann regelmäßig auf die einschlägigen Orientierungshilfen der Oberlandesgerichte zugegriffen werden, beispielsweise die Düsseldorfer Tabelle. Dabei ist neben dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen stets nur sein tatsächliches (sozialhilferechtliches) Einkommen zugrunde zu legen, da hier – anders als im zivilrechtlichen Unterhaltsrecht – keine fiktiven Einkünfte angerechnet werden (BGH, Urteil v. 11.3.1998, XII ZR 190/96, FamRZ 1998 S. 818). Bemüht sich z. B. ein Elternteil überhaupt nicht durch ausreichende Bewerbungen um Arbeit, so dass es seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber dem minderjährigen Kind verletzt mit der Folge, dass diesem Elternteil unterhaltsrechtlich fiktiv das erzielbare Einkommen zugerechnet wird, so geht der Unterhaltsanspruch nur in Höhe des geringeren tatsächlichen Einkommens auf den Sozialhilfeträger über. Sozialhilferechtlich und unterhaltsrechtlich anzuerkennende Kosten können grundsätzlich voneinander abweichen (BGH, Urteil v. 21.11.2012, XII ZR 150/10, Rz. 16), d. h. die Bedarfe sind nicht deckungsgleich. Insbesondere bei der Unterbringung in einem Heim können die sozialhilferechtlich anerkannten Kosten der Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten von den unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Kosten abweichen (BGH, Beschluss v. 17.6.2015, XII ZB 458/14, Rz. 25). Der unterhaltsrechtliche Bedarf entspricht den anfallenden Heimkosten, soweit diese notwendig sind; der Barbetrag (§ 27b Abs. 2) ist unterhaltsrechtlich als Bedarf anerkannt (BGH, Beschluss v. 17.6.2015, XII ZB 458/14, Rz. 26).

Ferner ist zu prüfen, ob der Leistungsberechtigte auf Unterhalt verzichtet hat. Ein solcher Unterhaltsverzicht ist grundsätzlich möglich, unterliegt aber der Inhaltskontrolle aus § 138 BGB. Der Unterhaltsverzicht ist also nichtig, soweit ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Unterhaltsgläubiger in dem fraglichen Zeitraum Sozialhilfe empfangen hat und Gegenstand des Verzichts gerade die eigentlich übergehenden Unterhaltsansprüche sind. Denn ein solcher Verzicht hätte zur Folge, dass der Sozialhilfeträger bei Wirksamkeit der Vereinbarung notwendig die Kosten zu tragen hätte (BGH, Urteil v. 17.9.1986, IVb ZR 87/85, FamRZ 1987 S. 152).

 

Rz. 4

Der Anspruchsübergang steht unter der weiteren Voraussetzung der Leistungsbewilligung. Ebenso wie bei § 93 ist der Anspruchsübergang damit in zeitlicher Hinsicht und auch der Höhe nach begrenzt. Für den Zeitraum der Leistungsbewilligung muss gleichzeitig der fällige Unterhaltsanspruch bestehen, der Unterhaltspflichtige muss also insbesondere während der Zeit der Bedürftigkeit des Berechtigten leistungsfähig gewesen sein (BVerfG, Urteil v. 7.6.2005, 1 BvR 1508/96, NJW 2005 S. 1927). Zudem muss die Leistung rechtmäßig gewährt worden sein, da i. d. R. andernfalls – mangels unterhaltsrechtlicher Bedürftigkeit – für die fragliche Zeit auch kein Unterhaltsanspruch besteht (so auch Münder, in: LPK-SGB XII, § 94 Rz. 15; i.E. auch H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 94 Rz. 56). Ferner gibt es keinen Anspruchsübergang in die Leistungsgewährung übersteigender Höhe. Für Ansprüche aus der Vergangenheit und Leistungen für die Zukunft sieht Abs. 4 Sonderregelungen vor (vgl. Komm. dort).

 

Rz. 5

Mit dem Unterhaltsanspruch geht auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch auf den Sozialhilfeträger über, damit dieser zur Herstellung des Nachrangs den Anspruch gegen den Unterhaltspflichtigen sachgerecht prüfen und ggf. gerichtlich geltend machen kann (eventuell auch im Wege der sog. Stufenklage nach § 254 ZPO). Der Auskunftsanspruch geht im selben Umfang wie der Unterhaltsanspruch über. Es gilt also insbe...

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