Rz. 70

Die Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen Vergleichsraum muss nach einem sog. schlüssigen Konzept erfolgen (s. o.).

Das vom BSG in einer Vielzahl von Entscheidungen entwickelte schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird (BSG, Urteil v. B 14 AS 24/18 R Rz. 24). Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Hierfür müssen nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 17.9.2020, B 4 AS 22/20 R Rz. 28 unter Hinweis auf die grundlegende Entscheidung des BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R Rz. 18 ff. sowie ausführlich BSG v. 30.1.2019, B 14 AS 24/18 R Rz. 24) insbesondere die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung).
  • Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard.
  • Es sind Angaben über den Zeitraum notwendig, auf den sich die Datenerhebung bezieht.
  • Es bedarf der Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel).
  • Die Datenerhebung muss repräsentativ und valide sein.
  • Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze bei der Datenerhebung und -auswertung müssen eingehalten sein.
  • Die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten muss dargelegt werden.
  • "Brennpunkte" durch soziale Segregation müssen vermieden werden.
 

Rz. 71

Bislang hat der Gesetz- und Verordnungsgeber (mit Ausnahme der Regelungen in § 35b i. V. m. §§ 22 a bis 22c SGB II) davon abgesehen, den Leistungsträgern normative Vorgaben darüber zu machen, wie sie die Angemessenheitsgrenze zu ermitteln haben. Sie sind daher bis auf Weiteres nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt. Daher kann es verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept zu erstellen (vgl. BSG, Urteil v. 30.1.2019, B 14 AS 24/18 R Rz. 25 m. w. N.). Als Datengrundlage kommen vor allem qualifizierte Mietspiegel i. S. v. § 558d BGB, aber auch andere Quellen in Betracht (vgl. BSG, Urteil v. 13.4.2011, B 14 AS 106/10 R Rz. 24). Denkbar ist z. B. der Rückgriff auf Statistiken der Städte oder Gemeinden mit Datensätzen über durchschnittliche Mietpreise aus Wohngeldfällen (BSG, Urteil v. 18.6.2008, B 14/7b AS 44/06 R Rz. 17) oder unter Umständen Daten örtlicher Wohnungsbaugenossenschaften (vgl. dazu im Einzelnen BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 14 AS 41/08 R Rz. 19, und BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R Rz. 20). Eine hinreichende Gewähr dafür, dass die gewählte Datengrundlage die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergibt, besteht, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil v. 18.6.2008, B 14/7b AS 44/06 R Rz. 16).

 

Rz. 72

Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Leistungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen sog. einfachen Standards zugrunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d. h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne, zugrunde zu legen (vgl. zu alledem BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R Rz. 21).

 

Rz. 73

Für die Datenerhebung kommen nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen in Betracht, sondern auch von bereits vermieteten (BSG, Urteil v. 19.2.2009, B 4 AS 30/08 Rz. 24). Im Rahmen der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten in einem Vergleichsraum ist grundsätzlich sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck vermietet wird; so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann; so etwa Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnisse. Auszunehmen ist auch Wohnraum, der in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr und damit nur vorübergehend vermietet werden soll (z. B. Ferienwohnungen, Wohnungen für Montagearbeiter). Die erhobenen Daten müssen vergleichbar sein, das heißt, ihnen muss derselbe Mietbegriff (d. h. Netto- oder Bruttokaltmiete) zugrunde liegen. Wird die Nettokaltmiete als Grundlage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom Mieter gesondert zu zahlenden ...

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