Rz. 11

Zu den in Abs. 2 genannten Arten von Verwaltungsakten, an denen sozial erfahrene Dritten zu beteiligen sind, gehören außer den Bescheiden über einen Widerspruch gegen die Ablehnung der Sozialhilfe auch Entscheidungen über Widersprüche gegen ihre Art und Höhe. Unter "Ablehnung der Sozialhilfe" fällt nicht nur der negative Erstbescheid, sondern auch die Einstellung oder Rücknahme bisher gewährter Hilfe, da die Aufhebung der Sache nach die nachträgliche Ablehnung der Hilfegewährung einschließt (BVerwG, Urteil v. 11.10.1984, 5 C 144/83). Folglich sind sozial erfahrene Dritte vor Erlass eines Widerspruchsbescheides beratend zu beteiligen, unabhängig davon, ob es um den Widerspruch gegen eine versagende oder die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes geht. Gleiches gilt, wenn ein Eigenanteil festgesetzt wird, denn damit wird über die Höhe der Leistung entschieden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Eigenanteil von vorneherein durch Abzug vorhandenen Einkommens bzw. durch den Einsatz von Mitteln nach dem Elften Kapitel oder nachträglich in Form von Aufwendungsersatz oder eines Kostenbeitrages gemäß § 27 Abs. 3 erhoben wird (BayVGH, FEVS 16 S. 60; Schoch, a. a. O., S. 627; a. A. Zeitler, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand Mai 2017, § 116 Rz. 17). Auch bei verfahrensbegleitenden Bescheiden (d. h. solchen, die im sachlichen Zusammenhang mit dem Ausgangsbescheid stehen, ohne ihn i. S. d. § 96 SGG inhaltlich abzuändern oder aufzuheben) während eines Widerspruchs- und Klageverfahrens ist es grundsätzlich erforderlich, sozial erfahrene Dritte (erneut) zu hören (BVerwG, Urteil v. 19.1.1972, V C 10.71). Gegenstand des Verfahrens nach Abs. 2 ist regelmäßig der Hilfsfall als solcher. Hierdurch wird jedoch der Träger der Sozialhilfe ebenso wenig gehindert, über einzelne Leistungen zu befinden, wie der Hilfesuchende, auf einzelne Leistungen anzutragen (BVerwG, Buchholz 436.0, § 114 BSHG Nr. 2).

 

Rz. 12

Dagegen greift § 116 nicht bei der Überleitung von bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen im Rahmen der Sozialhilfe zwecks Herstellung des Nachrangs und zum Umfang der dabei anzustellenden Prüfung ein (BVerwG, Urteil v. 26.11.1969, V C 54.69; HessVGH, FEVS 17 S. 252). Das gilt auch für den Kostenersatz nach §§ 102 ff. (vgl. BVerwG, FEVS 34 S. 89).

 

Rz. 13

Die zwingend vorgeschriebene beratende Beteiligung gemäß Abs. 2 bei Entscheidungen der Behörde im Einzelfall stellt eine wesentlich stärkere Beteiligungsform dar als die Anhörung nach Abs. 1. Sie erfordert, dass die beteiligten sozial erfahrenen Personen Gelegenheit erhalten, wie ein Sachverständiger zu bestimmten Sachfragen Stellung zu nehmen (grundsätzlich dazu Gutachten des DV, NDV 1987 S. 156). Ein dementsprechender Mangel kann im Widerspruchsverfahren selbst geheilt werden, indem die Beteiligung nachgeholt wird (analog § 41 SGB X).

 

Rz. 14

Die Beteiligung der sozial erfahrenen Dritten an Widerspruchsverfahren nach Abs. 2 kann nicht der Disposition der Beteiligten überlassen werden, sondern ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil v. 11.10.1984, 5 C 144/83).

Im Anwendungsbereich des Abs. 2 ist daher ein Widerspruchsverfahren generell auch dann nicht entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (OVG Rheinland-Pfalz, FEVS 49 S. 211). Waren sozial erfahrene Personen allerdings bereits im Abhilfeverfahren beteiligt, ist eine erneute Beteiligung bei dem Widerspruch gegen den Abhilfebescheid nicht erforderlich (BayVGH, FEVS 31 S. 464). Gleiches gilt, wenn der beklagte Träger der Sozialhilfe für die Gewährung der begehrten Leistung örtlich nicht zuständig ist (HessVGH, FEVS 28 S. 415) oder irrig angenommen hat, ein Widerspruchsverfahren sei nicht zulässig (BVerwG, FEVS 18 S. 161).

Entschließt sich die Behörde zu einer vollständigen Abhilfe vor der Beteiligung sozial erfahrener Dritter, ist eine solche entbehrlich. Sinn und Zweck der Norm erfordern hier eine teleologische Reduktion, denn der vom Gesetzgeber intendierten Nutzung der praktischen Erfahrung der Dritten zum Schutze der Interessen der Hilfebedürftigen bedarf es hier nicht (vgl. Blüggel, a. a. O., Rz. 27). Vielmehr entspricht es ihrem Interesse, das Abhilfeverfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Bei vollem Erfolg des Widerspruchs ist eine Beteiligung sozial erfahrener Dritter in beiden Fällen mithin nicht geboten.

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