0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde im Rahmen des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) mit Wirkung v. 1.4.1993 als eigenständige Bestimmung eingeführt und basiert auf § 86 Abs. 1 a. F. Mit Inkrafttreten des Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) wurden die bisher in § 42 und § 43 geregelten vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen systematisch neu geordnet und in einer Vorschrift (§ 42 n. F.) zusammengefasst. § 87 wurde im Hinblick auf diese Bündelung der vorläufigen Maßnahmen in Gestalt nunmehr einer Rechtsnorm entsprechend modifiziert (Art. 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729). Die Bestimmung gilt seit dem 1.1.2012 i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022). § 87 wurde durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher v. 28.10.2015 (BGBl. I S. 1802) mit Wirkung zum 1.11.2015 um Satz 2 erweitert.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Regelungsinhalt des § 87 ist die örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nach § 42. Wegen der Eilbedürftigkeit solcher Maßnahmen knüpft die örtliche Zuständigkeit ausschließlich an den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Maßnahme an (zum Begriff "vor Beginn der Maßnahme" siehe auch Erläuterungen zu § 86 Rn. 17 f. "vor Beginn der Leistung"). § 87 Satz 2 ist einer zum 1.11.2015 neu in Kraft getretenen Sonderzuständigkeit für die Inobhutnahme unbegleiteter ausländischer Minderjähriger im Zuge des § 88a geschuldet.

2 Rechtspraxis

2.1 Tatsächlicher Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Maßnahme

 

Rz. 3

Sofern ein Kind oder Jugendlicher um Obhut bittet, ist der örtliche Träger – in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Maßnahmenbeginn tatsächlich aufhält – zur Erfüllung der Inobhutnahme i. S. d. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 berechtigt, zugleich aber auch verpflichtet. Gleiches gilt, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und die Personensorgeberechtigten dieser Inobhutnahme nicht widersprechen (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a), eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b) oder ein ausländisches Kind bzw. ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder der Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Zum Begriff des "tatsächlichen Aufenthalts" siehe Erläuterungen zu § 6. Im Falle des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist der Ort entscheidend, an dem die dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zutage tritt und die entsprechende Inobhutnahme, ggf. auch durch Wegnahme des Kindes oder Jugendlichen von einer anderen Person, erforderlich macht.

Nimmt ein anderes als das nach § 87 örtlich zuständige Jugendamt ein Kind oder einen Jugendlichen in Obhut, beispielsweise im Wege einer zwischen den beteiligten Jugendämtern stillschweigend getroffenen Vereinbarung, um sich ggf. in Relation zur Durchführung des faktischen Inobhutnahmeakts ein mitunter daran anschließendes aufwändigeres Kostenerstattungsverfahren i. S. d. § 89b Abs. 1 zu ersparen, so wäre diese Maßnahme rechtswidrig. Dies ist unter Umständen in solchen Fällen denkbar, in denen sich das Kind oder der Jugendliche tatsächlich in einem nah angrenzenden Jugendamtsbezirk aufhält, die Personensorgeberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt jedoch im Bereich des (unzuständigerweise) tätig gewordenen Jugendamts begründen und dieses Jugendamt im Zuge der Kostenerstattung nach § 89b Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Satz 1 letztlich sowieso mit den Kosten der Inobhutnahme belastet würde. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass eine im Gefolge dieser örtlich unzuständig durchgeführten Maßnahme beabsichtigte Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen zu den entstandenen Kosten gemäß §§ 91 ff. ebenfalls rechtswidrig wäre. Diese Rechtsauslegung träfe – bei abgewandelter Fallkonstellation – zudem auch auf etwaige (rechtlich nicht haltbare) Kostenerstattungsansprüche gegenüber anderen Jugendhilfeträgern zu (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 26.9.2006, F2.120/J 3.314 Oh, JAmt 2007 S. 146).

2.2 Ende der Zuständigkeit

 

Rz. 4

Die Zuständigkeit des § 87 endet, sofern die Maßnahme nach § 42 beendet wird. Diese Maßnahme, die Inobhutnahme endet nicht bereits mit der vorläufigen Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung oder Wohnform oder mit der Wegnahme von einer anderen Person, etwa den Erziehungsberechtigten (§ 42 Abs. 1 Satz 2). Schon der Wortlaut des § 42 Abs. 3 lässt erkennen, dass das Jugendamt während der fortdauernden Inobhutnahme verschiedene Rechtshandlungen vorzunehmen hat. Hinzu kommen die Aufgaben des Jugendamtes nach § 42 Abs. 3 (Gefährdungseinschätzung sowie ggf. eine familiengerichtliche Entscheidung über Maßnahmen ...

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