1 Rechtsentwicklung/Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit Art. 1 § 70 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163) eingeführt worden und am 1.1.1991 in Kraft getreten. Sie ist seitdem unverändert. Sie übernimmt Regelungen, die zuvor in § 13 Abs. 2 und 3 JWG, § 16 Abs. 1 JWG und § 21 Abs. 1 und 2 JWG enthalten waren. Sie regelt die interne Organisationsstruktur des Jugendamtes und des Landesjugendamtes, die sich deutlich von der Organisationsstruktur anderer kommunaler Dienststellen und Landesbehörden unterscheidet. Grundlegend ist die Gliederung in einen Verwaltungsbereich und in den Jugendhilfeausschuss, dessen Struktur und Befugnisse in §§ 71f. normiert sind. Diese Zweigliedrigkeit des Jugendamtes und des Landesjugendamtes, die schon vor Inkrafttreten des SGB VIII bestand, gewährleistet die Einbeziehung der freien Träger der Jugendhilfe.

2 Rechtspraxis

2.1 Jugendamt und Jugendhilfeausschuss

 

Rz. 2

Aufgaben des Jugendamtes sind alle diejenigen in § 2 aufgeführten Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, für die der örtliche Träger gemäß § 85 Abs. 1 und 3 sachlich zuständig ist. Diese Aufgaben werden gemäß Abs. 1 durch den Jugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Jugendamtes wahrgenommen. Die Zweigliedrigkeit soll vor allem eine breit repräsentierte Fachlichkeit und Bürgerbeteiligung im Sinne der Einbeziehung der Interessen von jungen Menschen und deren Familien sowie der unmittelbaren Anbindung an die politischen Entscheidungsstrukturen der kommunalen Vertretungskörperschaft gewährleisten (Wiesner/Wapler/Schön, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 70 Rz. 4). Mit Wirkung nach außen handelnde Stelle ist die Verwaltung des Jugendamtes. Der Jugendhilfeausschuss hat die in § 71 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 zugewiesenen Befugnisse. Der Jugendhilfeausschuss ist nicht in die übliche kommunalverfassungsrechtliche Struktur eingeordnet, insbesondere gehört er als Teil des Jugendamtes zur Verwaltung der Gebietskörperschaft und nicht zum Rat, sondern steht diesem gegenüber (BVerwG, Beschluss v. 18.6.2004, 8 B 41/04). Er ist deshalb ein kommunaler Ausschuss eigener Art (BVerwG, Urteil v. 15.12.1994, 5 C 30/91, BVerwGE 97, 228), weil er sich nur zum Teil aus gewählten Mitgliedern der Vertretungskörperschaft (Gemeinderat, Stadtrat) zusammensetzt und somit die politischen Mehrheitsverhältnisse der Vertretungskörperschaft nur teilweise widerspiegelt. Daraus folgt auch, dass Bestimmungen in den Gemeindeordnungen der Länder, wonach ein Ausschuss auf Antrag aufgelöst und neugebildet werden muss, wenn seine Zusammensetzung nicht mehr den Stärkeverhältnissen der Fraktionen im Gemeinde- oder Stadtrat entspricht, auf den Jugendhilfeausschuss nicht anwendbar sind (OVG Brandenburg, Beschluss v. 27.5.2003, 1 B 203/02).

 

Rz. 2a

Hinzu kommen nach Maßgabe von § 71 Abs. 1 Nr. 2 Vertreter der freien Träger. Dies unterscheidet den Jugendhilfeausschuss von anderen beschließenden Ausschüssen im kommunalen Bereich. Gleichwohl besteht Einigkeit darin, dass die Bestimmungen über beschließende Ausschüsse des Kommunalrechts auf den Jugendhilfeausschuss entsprechend anzuwenden sind (vgl. statt vieler Happe, Die Rechtsnatur des Jugendwohlfahrtsausschusses – seine Einordnung in das Kommunalverfassungsrecht, RdJ 1963, 273). Die Rechtsstellung und die Befugnisse des Jugendhilfeausschusses ergeben sich zu einem Teil aus den bundesrechtlichen Vorschriften des § 71 und aus den Vorschriften der Gemeindeordnung des jeweiligen Bundeslandes. Dazu sind die Vorschriften der Ausführungsgesetze der Länder zum KJHG zu beachten.

 

Rz. 3

Die Struktur des Jugendamtes als zweigliedrige Behörde wird auch heute noch mit Blick auf den Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie kritisch gesehen. Das BVerfG (Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62 u. a.) hat diesen Eingriff – allerdings vor der Föderalismusreform – als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen. Die Regelung sei für einen sachbezogenen und wirksamen Gesetzesvollzug notwendig. Der Bund habe dafür auch die Gesetzgebungszuständigkeit. Er könne die Vorschriften als Annexregelung zu der ihm zustehenden materiellen Regelungskompetenz der öffentlichen Fürsorge gemäß Art. 84 Abs. 1 GG a. F. treffen. Ob diese Annexkompetenz auch die durch die Föderalismusreform eingeführte Abweichungsbefugnis in Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigt, bleibt offen (vgl. Wiesner/Wapler/Schön, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 70 Rz. 7; Busse, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 70 Rz. 10).

2.2 Geschäfte der laufenden Verwaltung

 

Rz. 4

Der Begriff der Geschäfte der laufenden Verwaltung ist im SGB VIII nicht definiert. Jedoch ist in den Gemeinde- und Kreisordnungen der Länder die Abgrenzung zwischen den Geschäften der laufenden Verwaltung und denjenigen Entscheidungen, die der Beschlussfassung in der Kreisversammlung bzw. im Stadt- oder Gemeinderat vorbehalten sind, geregelt. Geschäfte der laufenden Verwaltung sind alle regelmäßig und häufig wiederkehrenden Angelegenheiten, die keine grundsätzliche Bedeutung in finanzieller oder fachlicher Hinsicht haben (OVG NRW, Urteil v. 1...

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