Rz. 20

Die durch das KJSG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit Wirkung zum 10.6.2021 eingefügte Regelung entspricht der ebenfalls durch das KJSG eingefügten Regelung in § 64 Abs. 2b und regelt die Befugnis zur Weitergabe und Übermittlung anvertrauter Sozialdaten, soweit dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR erforderlich ist – Nr. 6 Satz 1 (vgl. auch die Gesetzesmotive in BT-Drs. 19/28870 S. 109).

 

Rz. 21

Soweit Erziehungshilfe-, Heim- oder Vormundschaftsakten der DDR-Jugendhilfe einem Mitarbeiter des Jugendamtes zum Zwecke der persönlichen und erzieherischen Hilfe anvertraute Sozialdaten enthalten, ist zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR und damit zur weiteren Aufarbeitung von DDR-Unrecht auch insoweit eine Aktenübermittlung zu ermöglichen, da nur durch Aufklärung aller Umstände die Frage nach einer möglichen politischen Motivation in DDR-Adoptionsverfahren beantwortet werden kann (BT-Drs. 19/28870 S. 109).

 

Rz. 22

Wie auch bei der Einfügung von Abs. 2b in § 64 durch das KJSG ergibt sich die europäische Rechtsgrundlage der Änderung aus den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung, die sich in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 finden (hierauf weist der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien hin, vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 109).

 

Rz. 23

Ziel der Regelung in Nr. 6 ist, dem Bedarf der Wissenschaft an Forschung zu möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR nachzukommen, an deren Durchführung ein öffentliches Interesse besteht, dem Schutzbedürfnis des für eine effektive Hilfeerbringung notwendigen besonderen Vertrauensverhältnisses Rechnung zu tragen und einen angemessenen Ausgleich mit dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung herzustellen (BT-Drs. 19/28870 S. 109).

 

Rz. 24

Der persönliche Anwendungsbereich bezieht sich auf Adoptierte, die Adoptivfamilie und die Herkunftsfamilie.

 

Rz. 25

Wie auch in § 64 Abs. 2b Satz 3 regelt auch Nr. 6 Satz 2 ein absolutes Kontaktverbot (auf die Komm. zu § 64 wird verwiesen). Mit Satz 2 ist – abweichend von den Voraussetzungen in § 75 Abs. 1 SGB X – ausgeschlossen, dass die Einwilligung der Betroffenen zur Datenübermittlung eingeholt wird.

 

Rz. 26

Die absolute Kontaktsperre betrifft alle am Adoptionsverfahren betroffenen Personen; also Adoptierte, Adoptivfamilie und Herkunftsfamilie. Das Kontaktverbot gilt für diese Personen, und zwar unabhängig davon, welche staatliche oder staatlich beauftragte Stelle die Adoption vermittelte oder anordnete (BT-Drs. 19/28870 S. 109).

 

Rz. 27

Die Kontaktsperre ist Ausfluss des Offenbarungs- und Ausforschungsverbots des § 1758 BGB. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass von der Adoption betroffene Personen nicht über die Tatsache der Adoption informiert sind. Eine "Zwangsaufklärung" durch unbeteiligte Dritte birgt daher das Risiko, dass gewachsene Familienstrukturen und Vertrauensverhältnisse in der Adoptiv- wie auch in der Herkunftsfamilie belastet oder zerstört werden oder Identitätskrisen bei den Adoptierten ausgelöst werden. Eine "Zwangsaufklärung" durch unbeteiligte Dritte ist demnach zwingend zu vermeiden. Der Schutz von Betroffenen ist oberstes Gebot (BT-Drs. 19/28870 S. 110).

 

Rz. 28

Außerdem ordnet Nr. 6 Satz 2 HS 2 die entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 2b Satz 1 und 2 an (auf die Komm. zu § 64 wird verwiesen). Der Verweis stellt klar: Die personenbezogenen Daten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungszweck möglich ist; vgl. § 64 Abs. 2b Satz 2. Bis dahin sind die Merkmale, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können, gesondert zu speichern. Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungszweck dies erfordert. Personenbezogene Daten dürfen nicht veröffentlicht werden (BT-Drs. 19/28870 S. 110). Da den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Klarnamen im Rahmen des Forschungsvorhabens grundsätzlich bekannt sein dürfen, soweit dies für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlich ist, erfolgt die Weitergabe oder Übermittlung, erforderlichenfalls ohne Anonymisierung oder Pseudonymisierung; § 64 Abs. 2b Satz 2. Das wird ebenfalls mit dem Hinweis auf die entsprechende Geltung des neu eingefügten § 64 Abs. 2b sichergestellt; § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 HS 2 (BT-Drs. 19/28870 S. 110).

 

Rz. 29

Die Änderungen in § 65 modifizieren die allgemeinen Regelungen in Teilbereichen, deren Regelungen im Übrigen anwendbar bleiben (vgl. § 61 Abs. 1). Dies betrifft insbesondere das Erfordernis eines Datenschutzkonzeptes; § 61 Abs. 1 d i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB X und der vorherigen Genehmigung durch die oberste Bundes- oder Landesbehörde; § 61 Abs. 1 i. V. m. § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB X (BT-Drs. 19/28870 S. 110).

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