2.1.1 Grundsätze nach Satz 1

 

Rz. 6

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 werden Sozialdaten, die zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, besonders geschützt (Salgo/Kepert, ZKJ 2020, 333, 338) und dürften nur unter den weiteren Voraussetzungen der Nr. 1 bis 6 weitergegeben oder übermittelt werden. § 65 normiert damit einen besonderen Vertrauensschutz (LG Koblenz, Beschluss v. 15.9.2022, 4 Qs 56/22, Rz. 16, mit Anm. in ZKJ 2022, 463). Die von § 65 erfassten Daten dürfen – unabhängig davon, aus welcher Ermächtigungsgrundlage ein Auskunftsanspruch hergeleitet wird – daher nicht herausgegeben werden, sofern die Voraussetzung für eine Übermittlung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 nicht erfüllt ist, § 65 ist auch mit den Vorgaben der DSGVO (EUV 2016/679) vereinbar (OVG des Saarlandes, Beschluss v. 18.3.2022, 2 D 23/22).

 

Rz. 6a

§ 65 Abs. 1 Satz 1 formuliert daher den Grundsatz eines gesetzlich normierten Geheimhaltungsgebotes. Der Gesetzgeber hat den bereichsspezifischen Datenschutz im Jugendhilferecht daher höher gewichtet als das Interesse von Betroffenen, sich über Behördeninformationen zu informieren, um sich ggf. wehren zu können (VG Bremen, Urteil v. 28.11.2022, 4 K 503/21, Rz. 33).

 

Rz. 6b

Eine Ausnahmevorschrift für "bereits bekannte" Daten ist den Ausnahmeregelungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 nicht zu entnehmen. Die Regelung gilt im Übrigen weiter, wenn die Hilfeleistungen eingestellt wurden (in beidem zustimmend: VG Bremen, Urteil v. 28.11.2022, 4 K 503/21, Rz. 34).

 

Rz. 6c

Soweit eine Datenauskunft nicht bereits gesetzlich ausgeschlossen ist, besteht hinsichtlich des Obs und des Umfangs (also des Wies) der Datenauskunft kein Ermessen der Behörde (VG Bremen, Urteil v. 28.11.2022, 4 K 503/21, Rz. 35).

2.1.1.1 Normadressaten

 

Rz. 7

Adressat der Vorschrift ist nach deren Wortlaut unmittelbar der "Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe". Im Hinblick darauf, dass es sich um "anvertraute" Daten handeln muss, ist dieser personale Bezug, und nicht etwa die Adressierung an den Rechtsträger oder die Jugendbehörde, in diesem Zusammenhang auch als zutreffend anzusehen.

 

Rz. 8

Mittelbar ist jedoch auch der Träger Normadressat. Dies liegt zum einen in dem Umstand begründet, dass die dem Mitarbeiter anvertrauten Daten ihm in seiner Eigenschaft als Repräsentant des Jugendhilfeträgers und zu dessen Aufgabenwahrnehmung bekannt geworden sind (Rombach, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/2020, Werkstand: 2023, § 65 SGB VIII, Rz. 2b). Zum anderen muss eine zumindest mittelbare Verpflichtung des Trägers schon deshalb angenommen werden, weil dieser als Anstellungsträger dafür Sorge zu tragen hat, dass die einzelnen Mitarbeiter die Vorgaben der Vorschrift auch einhalten bzw. einhalten können (Mörsberger, in: Wiesner, § 65 SGB VIII, Rz. 6).

2.1.1.2 Anvertraute Sozialdaten

 

Rz. 9

Die Vorschrift ist dann einschlägig, wenn es sich um Sozialdaten handelt, die zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfen anvertraut worden sind. Damit werden nur solche Daten erfasst, die im Kontext der Leistungsgewährung anfallen, nicht solche, die im Rahmen "anderer Aufgaben" beschafft worden sind (so auch Rombach, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/2020, Werkstand: 2023, § 65 SGB VIII, Rz. 4). Nach anderer Auffassung begrenzen sich die Weitergabeschranken nicht auf den Leistungsbereich, da oftmals ein untrennbarer Zusammenhang von Leistungen und "anderen Aufgaben" bestehe. Für die Einschlägigkeit der Vorschrift bezüglich anderer Aufgaben i. S. d. § 2 Abs. 2 finden sich in der Norm keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vertretbar erscheint jedoch, die Einschlägigkeit (neben der im Kontext der §§ 27 bis 41 anfallenden Daten) für die Daten, die im Zusammenhang mit §§ 11 bis 26 anfallen, zu bejahen (Rombach, a. a. O.).

 

Rz. 10

Aus dem Gesetzeswortlaut und dem Schutzzweck des § 65 folgt, dass es für seine Anwendbarkeit genügt, wenn es um Daten geht, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut werden, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann. Dass eine solche Zweckgeeignetheit reicht, folgt aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1: "Sozialdaten, die ... zum Zweck persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind ..." (VG Bremen, Beschluss v. 28.4. 2021, 4 V 72/21 Rz. 19).

 

Rz. 11

Anvertraut sind Daten i. S. d. Vorschrift nicht nur dann, wenn sie ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Verschwiegenheit preisgegeben werden. Es genügt vielmehr, wenn der Mitarbeiter zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfen Einblick in persönliche Verhältnisse erhält, die ihm der Betroffene verwehrte, wenn er mit der Weitergabe rechnete. Im Sinne eines umfassenden Schutzes des Betroffenen und im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Vertrauensverhältnisses ist der Begriff des "Anvertrauens" demgemäß weit zu interpretieren. Enger versteht es hingegen ein Teil der Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Beschluss v. 28.11.2023, 11 LC 273/21): "Anvertraut" i. S. d. § 65 Abs. 1 sind danach nur die Daten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe in einem bewussten "Akt des Anvertr...

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