Rz. 14

Die durch das KJSG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit Wirkung zum 10.6.2021 eingefügte Regelung in Abs. 2b regelt die Befugnis der Jugendhilfeträger, Sozialdaten zu übermitteln und zu nutzen, soweit dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR erforderlich ist (vgl. insoweit die Gesetzesmaterialien BT-Drs. 19/28870 S. 54 f. und 107 ff.). Ebenfalls wurde der Katalog der zulässigen Weitergabe von anvertrauten Sozialdaten nach § 65 Abs. 1 Satz 1 um die Nr. 6 ergänzt, der insoweit identische Regelungen enthält (vgl. auch die Komm. zu § 65).

 

Rz. 15

Europäische Rechtsgrundlage der Änderung sind Regelungen aus der Datenschutz-Grundverordnung, die sich in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. j Verordnung (EU) 2016/679 finden (hierauf weist hin der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien, vgl.: BT-Drs. 19/28870 S. 108).

 

Rz. 16

Der Sinn der Regelung entspricht inhaltlich dem Ziel, das bereits für diesen Forschungszweck in § 9e Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Adoptionsvermittlungsgesetz (Datenschutz) hinsichtlich der Adoptionsvermittlungsakten getroffenen Regelung verfolgt wird (BR-Drs. 5/21 S. 107 f. = BT-Drs. 19/26107 S. 108, hier wird auf § 9d verwiesen, der in seiner Fassung v. 22.11.2019 den Datenschutz bis zum 31.3.2021 enthielt und durch die Umnummerierung durch das Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption – Adoptionshilfe-Gesetz – v. 12.2.2021, BGBl. I S. 226, in § 9e Adoptionsvermittlungsgesetz aufgegangen ist). Die Vorschrift ist wiederum angelehnt an § 75 SGB X – Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung. Ziel der Regelung in § 9e Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Adoptionsvermittlungsgesetz ist es, dem Bedarf der Wissenschaft an Forschung zu möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR nachzukommen und andererseits einen angemessenen Ausgleich mit dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung herzustellen (BT-Drs. 19/28870 S. 108), nachdem sich gezeigt hat, dass in Teilen der Gesellschaft und in der Wissenschaft ein Bedürfnis existiert, Adoptionsvermittlungen in der ehemaligen DDR auf möglichen politischen Missbrauch zu untersuchen (vgl. insoweit auch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss); BT-Drs. 19/14427 S. 31 f.; unter Hinweis auf die wissenschaftlichen Vorstudie zum Thema "Dimension und wissenschaftliche Nachprüfbarkeit politischer Motivation in DDR-Adoptionsverfahren 1966–1990").

 

Rz. 17

Die Funktion der Regelung liegt in der Aufhebung der Konnexität also der Zweckidentität; insoweit werden die Ausnahmen von dem Grundsatz des Abs. 1, dass die Weitergabe zulässig erhobener Daten nur erlaubt ist, wenn der Erhebungs- und der Weiterverwendungszweck identisch sind, erweitert. Die Regelung konkretisiert damit die Zulässigkeit der Verarbeitung insoweit, als diese ausschließlich im Rahmen eines Forschungsvorhabens zur Erforschung von politisch motivierten Adoptionen in der DDR anhand von Erziehungshilfe-, Heim- und Vormundschaftsakten der DDR-Jugendhilfe zulässig ist (BT-Drs. 19/28870 S. 108).

 

Rz. 18

Der persönliche Anwendungsbereich bezieht sich auf Adoptierte, die Adoptivfamilie und die Herkunftsfamilie. Die Familie umfasst sämtliche Familienmitglieder unabhängig von deren Verwandtschaftsgrad (BT-Drs. 19/28870 S. 108).

 

Rz. 19

Der sachliche Anwendungsbereich bezieht sich auf alle Adoptionsverfahren, und zwar auch unabhängig davon, welche staatliche oder staatlich beauftragte Stelle die Adoption vermittelte oder anordnete (BT-Drs. 19/28870 S. 108).

 

Rz. 20

Der Begriff "bestimmtes wissenschaftliches Vorhaben zur Erforschung" entspricht § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB X. Die Datenverarbeitung ist danach nur zulässig, wenn ein Bezug zu einem konkreten wissenschaftlichen Forschungsvorhaben in dem genannten Themenbereich hergestellt werden kann. Auf den Bezug zu § 75 SGB X weist ausdrücklich der Gesetzgeber hin (BT-Drs. 19/28870 S. 108); insoweit kann auf die Komm. zu § 75 SGB X verwiesen werden.

 

Rz. 21

Die Befugnis zur Übermittlung und Nutzung von Daten beschränkt sich dabei ausdrücklich auf diejenigen Daten, die aufgrund der Auswertung der Adoptionsakten in Betracht kommen und für den Forschungszweck erforderlich sind. Für eine weitergehende Verarbeitung greift die Befugnis nicht. Auch ist es gerade nicht zulässig, Daten zu sammeln, um sie zu einem späteren Zeitpunkt (bei Gelegenheit) für die Forschung zu nutzen. Darüber hinaus muss das Forschungsvorhaben das Ziel haben, Adoptionsstrukturen in der DDR auf politischen Missbrauch zu untersuchen und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufarbeitung von DDR-Unrecht und gerade nicht Interessen Einzelner bzw. der Erforschung von Einzelschicksalen zu dienen (BT-Drs. 19/28870 S. 108).

 

Rz. 22

Der eng begrenzte Ausnahmefall lässt es (zunächst) zu, dass es keiner Anonymisierung oder Pseudonymisierung bedarf; Klarnamennen...

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