Rz. 10

Abs. 2 normiert im Verhältnis zu dem Grundsatz des Abs. 1 insofern eine Einschränkung, als eine Übermittlung für die Erfüllung von Aufgaben nach § 69 SGB X nur dann zulässig ist, soweit dadurch der Erfolg einer zu gewährenden Leistung nicht in Frage gestellt wird. Dies stellt innerhalb der Jugendhilfeaufgaben eine Prioritätensetzung zugunsten der Effektivität von Leistungen dar. Diese genießt im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit einer Datenübermittlung im Zweifel Vorrang (Mörsberger, in: Wiesner, § 64 SGB VIII, Rz. 10). § 64 Abs. 2 hat damit einschränkende Funktion gegenüber der in § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X normierten Befugnis, Sozialdaten an andere Sozialleistungsträger zu übermitteln (vgl. auch. DIJuF-Rechtsgutachten v. 28.11.2018, SN_1094 Ho, JAmt 2019 S. 144).

 

Rz. 11

Das Jugendamt hat vor der Datenübermittlung zur Erfüllung einer Aufgabe nach § 69 SGB X zu prüfen, ob diese den Erfolg einer zu gewährenden Leistung infrage stellen würde. Die Behörde hat dabei für jede Datenübermittlung im Einzelfall einzuschätzen, ob durch diese eine Gefährdung des Leistungszieles zu erwarten wäre. Es muss also ("dadurch") ein eindeutiger Kausalzusammenhang zwischen Datenübermittlung und etwaiger Infragestellung des Leistungszieles bestehen. Neben dem Leistungszweck sind z. B. die Art der Daten und deren Empfänger als Anhaltspunkte heranzuziehen (Rombach, in: Hauck/Noftz, 01/2020, Werkstand: 2023, SGB, § 64 SGB VIII, Rz. 6). Auf den Willen des Betroffenen kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Die Frage, ob i. S. d. Abs. 2 durch eine Datenübermittlung der Erfolg einer Leistung infrage gestellt würde, ist anhand objektiver Kriterien zu beantworten (Rombach, a. a. O.). Wenn allerdings der Erfolg einer Leistung auch von der Akzeptanz des Betroffenen abhängt, so könnte eine Datenübermittlung gegen seinen Willen auch den Leistungserfolg i. S. d. Abs. 2 infrage stellen (Rombach, a. a. O.; Mörsberger, in: Wiesner, § 64 SGB VIII, Rz. 15).

 

Rz. 12

Einzelfälle: Die Übermittlung von Daten aus dem Tagebuch einer Jugendlichen im Rahmen der Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren stellt i. S. v. Abs. 2 den Erfolg einer zu gewährenden Leistung regelmäßig infrage, da damit das Vertrauen der Jugendlichen erschüttert wird, sodass Abs. 2 daher keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage ist (so zutreffend DIJuF-Rechtsgutachten v. 3.9.2020, SN_2020_1000 Eh, JAmt 2020 S. 574). Bei einer Inobhutnahme und auch zu Beginn einer Hilfe zur Erziehung außerhalb der Herkunftsfamilie gilt es zunächst ein Vertrauensverhältnis aufzubauen; dieser Zielsetzung steht der Übermittlung von Daten nach § 64 Abs. 2 regelmäßig entgegen (DIJuF-Rechtsgutachten v. 28.11.2018, SN_2019_1094 Ho, JAmt 2019 S. 144). Bestehen Zweifeln an der Erziehungsfähigkeit einer Mutter, dürfen Fachkräfte des Allgemeinen sozialen Dienst keine Daten an die Fachkräfte des Sachgebiets Kindertagespflege, die der Mutter eine Tagespflegeerlaubnis erteilt haben, weiterleiten, wenn die Mutter selbst Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen will und diese Leistungen dann gefährdet werden (DIJuF-Rechtsgutachten v. 17.6.2019, SN_2019_0476 Eh, JAmt 2019 S. 456). Die Heranziehung von Akten des Allgemeinen Sozialen Dienstes durch die Jugendhilfe im Strafverfahren ohne oder gegen den Willen des Jugendlichen gefährdet regelmäßig den Erfolg der Leistungen i. S. d. § 64 Abs. 2 (DIJuF-Rechtsgutachten v. 29.11.2021, SN_2021_0155 Gö, JAmt 2022 S204). Die Datenübermittlung an ein Rechnungsprüfungsamt ist zulässig, sofern sie für die Aufgabenerfüllung des Rechnungsprüfungsamts erforderlich ist und sie den Erfolg einer zu gewährenden Leistung nicht infrage stelle (DIJuF-Rechtsgutachten v. 31.1.2022, SN_2021_0393 Bd, JAmt 2022 S. 271).

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