Rz. 42

Durch die pauschale Neuregelung durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) ist mit Wirkung zum 10.6.2021 in ursprünglich in § 38 enthaltene Regelung über die Ausübung der Personensorge nach § 1688 Abs. 3 Satz 1 BGB in (den frei gewordenen) Abs. 3 überführt worden.

 

Rz. 43

Abs. 3 entspricht damit dem § 38 in der bis zum 9.6.2021 geltenden Fassung (BR-Drs. 5/21 S. 8; BT-Drs. 19/26107 S. 89) und ist nur moderat "redaktionell" bzw. leicht erweiternd inhaltlich angepasst worden, so ist der Begriff der Personensorge durch den Begriff der elterlichen Sorge ersetzt worden, aus dem Begriff der Vertretungsmacht der Pflegeperson wurde der etwas weitere Begriff der Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson, aus dem Begriff der förderlichen Erziehung wurde der Begriff der förderlichen Entwicklung. Außerdem hat der Gesetzgeber für die bessere Handhabung die Regelung über sonstige Meinungsverschiedenheiten in einem eigenständigen Satz 2 geregelt. Auf die bisherige Rechtsprechung zu § 38 kann daher künftig auch im Anwendungsbereich von § 37 Abs. 3 (n. F.) zurückgegriffen werden.

 

Rz. 44

Die Vorschrift nimmt Bezug auf § 1688 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für den Fall, dass der Personensorgeberechtigte die Befugnisse der Pflegeperson einschränkt und dadurch das Kindeswohl oder das Erziehungsziel gefährdet, sollen dem Jugendamt Vermittlungsbefugnisse eingeräumt werden. Die Vorschrift ist nur im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 1688, 1629, 1630, 1632 BGB verständlich, die im Folgenden erläutert werden.

 

Rz. 45

Normzweck von Abs. 3 ist es zum einen klarzustellen, dass die Vorschriften der Ausübung der elterlichen Sorge an sich Regelungsgegenstand des Bürgerlichen Gesetzbuches sind und deshalb als sachfremde Regelung keinen Platz im SGB VIII haben (vgl. zu der gesetzgeberischen Intention im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) BT-Drs. 13/4899 S. 58, 141); zum anderen stellt die Vorschrift den Vorrang der elterlichen Sorgeberechtigung grundsätzlich auch gegenüber der Pflegeperson klar und stellt diesen Vorrang durch den Verweis auf § 1688 Abs. 3 BGB sicher, der den elterlichen Vorbehalt normiert. Damit dient die Vorschrift der Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Norm des Art. 6 GG (vgl. insoweit auch die gesetzgeberischen Erwägungen in BT-Drs. 13/4899 S. 32). Mittel dieser Sicherstellung ist die Übertragung von im Wesentlichen jenen Befugnissen, die für die alltägliche und übliche Erziehung notwendig sind, z. B. bei Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, bei der Geltendmachung von Unterhalts- und Sozialleistungen für das Kind oder bei Gefahr im Verzug die Vornahme aller Rechtshandlungen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind. Soweit der Pflegeperson auch die Ausübung der Personensorge übertragen wird, ist dies zwar grundsätzlich sinnvoll und notwendig; jedoch stellt die Regelung im Kontext des Kinder- und Jugendhilferechts einen Fremdkörper dar (BT-Drs. 13/4899 S. 58). Letztlich schafft § 38 so im Interesse und zur Sicherstellung des Kindeswohls mit § 38 eine Regelung zum Interessenausgleich der verfassungsrechtlich geschützten elterlichen Interessen und der Interessen der Pflegeperson an einer funktionierenden Ausübung der übertragenen Personensorge und nimmt insoweit als Vermittler das Jugendamt in die Pflicht.

2.5.1 Familienrechtliche Einordnung der Erklärung nach § 1688 Abs. 3 Satz 1 BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch

 

Rz. 46

Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 1. Var. BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes. Die zur elterlichen Sorge gehörende Personensorge umfasst gemäß § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Außerdem umfasst die Personensorge nach § 1631 Abs. 1 BGB auch das elterliche Aufenthaltsbestimmungsrecht. Zu diesen sorgerechtlichen Grundregeln hat der Gesetzgeber in mehrerlei Hinsicht Sonderregelungen geschaffen, die der besonderen Situation der in Familienpflege, sonstiger Vollzeitpflege (§ 33), in Heimerziehung oder sonstigen betreuten Wohnformen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung (§ 34) oder der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a) befindlichen Kinder Rechnung tragen sollen. Gemäß § 1630 Abs. 3 BGB kann das Familiengericht dann, wenn das Kind sich für längere Zeit in Familienpflege befindet, auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Gemäß § 1632 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht dann, wenn die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen wollen, von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde.

 

Rz. 47

Während die vorgenannten Vorschriften besonderen Konfliktlagen Rechnung tragen sollen, trifft § 1688 Abs. 1 BGB eine Ve...

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