Rz. 20

Als intensivste ambulante Hilfsform reicht die Sozialpädagogische Familienhilfe am weitesten in den "Binnenraum der Familie" hinein, wie es in der Regierungsbegründung treffend heißt (BT-Drs. 11/5948 S. 70; zum Begriff vgl. auch Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 08/2015, Werkstand: 2023, § 31 SGB VIII Rz. 10). Die Motivation der Familienmitglieder und die Aushandlung akzeptabler Kompromisse zwischen Familie und Fachkraft sind daher eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit Sozialpädagogischer Familienhilfe (BT-Drs. 11/5948 S. 70 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 10/6730 S. X). Denn die Hilfe ist darauf angelegt, inmitten des privaten Lebensbereiches der Familie zu wirken; meist innerhalb der Wohnung. Daher ist bei dieser Hilfe – was grundsätzlich für alle Hilfen gilt – eine Wirksamkeit in besonderem Maße davon abhängig, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Hilfsperson und Familienmitglied stattfindet. Die Vorschrift stellt daher in Satz 2 die Voraussetzung auf, dass die Mitarbeit der Familie erforderlich ist. Hieraus folgt, dass die Hilfe nicht gegen den Willen oder die Einsicht der Familie geleistet werden kann (vgl. weitergehend Rz. 16 ff. Dauer und familiäre Mitarbeit nach Satz 2). Aufgabe der Familienhilfe wird es sein, Anlass, Struktur und Zielsetzung der Hilfe den Familienmitgliedern nahezubringen, damit die Akzeptanz erreicht wird. Die Bereitschaft zur Mitwirkung muss während des gesamten Hilfeverlaufs gegeben sein. Dies kann auch ein Eingehen auf die Wünsche und Befürchtungen der Familienmitglieder erforderlich machen, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Daneben wird sich die Familienhilfe oftmals auch von den durchschnittlichen Wertevorstellungen der Mittelschicht lösen und sich den tatsächlichen Lebensrealitäten in der hilfebedürftigen Familie öffnen müssen. Denn diese wird häufig der sozialen Unterschicht entstammen und ein abweichendes Wertekonzept verfolgen. Besondere Behutsamkeit bei der Hilfeleistung werden Familien mit Migrationshintergrund einfordern. Auf diese Ausgangsbedingungen wird sich die Hilfe zunächst einzustellen haben, andernfalls wird eine Mitarbeit wenig wahrscheinlich sein. Allerdings muss die Fachkraft stets auf eine fachliche Distanz bedacht sein und sollte beraten, unterstützen und anleiten, sich jedoch nicht von der Familie und deren Problemen vereinnahmen lassen. Aufgaben des Familienhelfers sind daher eine intensive mehrdimensionale Betreuung und Begleitung von Familien in Erziehungsaufgaben (z. B. bei Vernachlässigung), praktische Hilfe bei Alltagsproblemen (z. B. bei der Haushaltsführung) und bei übermäßigem Ausgabeverhalten (z. B. Schuldenberatung), Unterstützung bei der Lösung von Konflikten und Krisen, Begleitung im Umgang mit Ämtern und Institutionen (z. B. bei der Beantragung von Wohngeld), Anleitung bei der Hilfe zur Selbsthilfe bei intensiver Mitarbeit der gesamten Familie und Einbeziehung des sozialen Umfeldes und Nutzbarmachung der örtlichen Ressourcen (z. B. Nachbarschaftshilfen, Kursangebote).

 

Rz. 21

Eine hervorgehobene Bedeutung hat der Datenschutz. Die Fachkraft erhält durch ihre Arbeit inmitten der Familie besondere Einblicke auch in sensibelste und privateste Lebensbereiche (auf die herausragende Bedeutung aufgrund dieses Umstands weist auch hin Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 31 Rz. 42). Diese Informationen können in der gerichtlichen Praxis, etwa bei Sorgerechtsverfahren, entscheidungserheblich sein. Vor einer unberechtigten Weitergabe dieser Daten ist die Familie durch die Datenschutzbestimmungen der §§ 61 ff. geschützt. Insbesondere ist der in § 65 geregelte besondere Vertrauensschutz von Sozialdaten zu beachten. Mitarbeiter der Jugendhilfe – auch, wenn sie einem öffentlichen oder freien Träger angehören – dürfen ihnen während der erzieherischen Hilfe anvertraute Daten nur weitergeben, wenn die in § 65 Abs. 1 geregelten Voraussetzungen vorliegen (vgl. weitergehend Komm. zu § 65). Der große Stellenwert der Vertraulichkeit sichert daneben auch die grundsätzliche Bereitschaft der Familie zur Mitarbeit ab (vgl. auch Frings, JAmt 2008 S. 461; zu den Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung in eine Datenübermittlung sowie zur Haftung bei Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen vgl. auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 8.8.2011, J 7.230/ J 7.600 Ho, JAmt 2012 S. 26).

 

Rz. 22

Die Sozialpädagogische Familienhilfe verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Die Fachkraft arbeitet im Zentrum des privaten Familienlebens und unterstützt diese im gesamten Familienalltag. Je nach Problemlage und Zielsetzung der Hilfe kann dies die Mitarbeit bei der Bewältigung von Erziehungsschwierigkeiten, bei Krisen und Konflikten im Familiensystem oder bei Alltagsproblemen bedeuten. Häufig wird die Hilfe sich auf mehrere Bereiche erstrecken müssen. Die Fachkraft kann und wird sich unterschiedlicher Arbeitsmethoden bedienen und auch mit anderen Fachkräften, Ämtern usw. zusammenarbeiten müssen. Primär wird die akute Problemlösung durch...

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