Rz. 8

Leistungsempfänger sind Mütter oder Väter, denen allein die Personensorge nach den Vorschriften des BGB zusteht (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 5). Ein Elternteil hat auch dann i. S. d. Abs. 1 Satz 1 für ein Kind zu sorgen, wenn ihm das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII und das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur bezüglich des Antrags nach § 19 zusteht (OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.5.2019, 10 ME 57/19). Versorgt ein Elternteil rein faktisch das Kind alleine, obwohl z. B. ein gemeinsames Sorgerecht besteht, war der allein Versorgende bisher nicht anspruchsberechtigt. Insofern wurde auf die formale bürgerlich-rechtliche Zuordnung des Sorgerechts abgestellt (vgl. Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 19 Rz. 1). Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) wurde § 19 Abs. 1 Satz 1 dadurch ergänzt, dass auch Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter 6 Jahren tatsächlich sorgen, von der Regelung erfasst werden.

Adressaten des Förderangebots sind damit nicht nur die Personensorgeberechtigten, sondern auch diejenigen, die das Kind tatsächlich betreuen. Diese Gesetzesänderung ist zu begrüßen, da sie der tatsächlichen Situation der Beteiligten Rechnung trägt. Notlagen können bereits während der Schwangerschaft entstehen. § 19 begünstigt daher auch werdende Mütter (DIJuF Gutachten v. 7.2.2019, JAmt 2019 S. 146).

 

Rz. 9

Umstritten ist, für welchen Zeitraum die Betreuung in einer gemeinsamen Wohnform möglich ist. Der Gesetzestext bleibt insofern unklar, als er lediglich davon ausgeht, dass das Kind unter 6 Jahre alt ist. (Bei der Betrachtung mehrerer Geschwisterkinder kommt es jedenfalls bei der Leistungsgewährung immer auf das jüngste Kind an.)

 

Rz. 10

Weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus der Gesetzesbegründung geht hervor, auf welchen Zeitpunkt die Altersgrenze abstellt: Zu klären ist, ob das Kind zu Beginn der Leistung noch nicht das 6. Lebensjahr vollendet haben darf oder ob die Vollendung des 6. Lebensjahres zur Beendigung der Leistung führt.

 

Rz. 11

Zum Teil wird das Alter des Kindes nicht als anspruchsauflösende Bedingung angesehen, da Zweck der Hilfestellung in erster Linie die Förderung der Erziehungskompetenz des Elternteils ist. Bestehen diese Persönlichkeitsdefizite auch noch im 6. Lebensjahr des Kindes, soll nach dieser Ansicht die Leistung weiter gewährt werden (Struk, in: Wiesner, SGB VIII, § 19 Rz. 7; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 19 Rz. 2; Fischer, in Schellhorn, SGB VIII, § 19 Rz. 15). Zu beachten ist allerdings, dass so die zeitliche Grenze zur Leistungsbeendigung nur schwer zu ziehen ist. Das 6. Lebensjahr ist insofern ein sinnvoller Einschnitt, als das Kind mit Beginn der Schulpflicht der Betreuung nicht mehr in demselben zeitlichen Maße wie zuvor bedarf und jedenfalls eine Halbtagstätigkeit des allein erziehenden Elternteils dann möglich ist.

 

Rz. 12

Für eine Beendigung der Leistung mit dem 6. Lebensjahr des Kindes spricht auch die veränderte Lebenssituation des allein erziehenden Elternteils. Nachdem die – oftmals durch ihr eigenes jugendliches Alter bei der Geburt in Not geratenen – Elternteile 6 Jahre unterstützt wurden, sollten sie nach Ablauf dieser Zeit aufgrund ihres höheren Lebensalters und die dadurch gewonnene Erfahrung nicht mehr auf die Jugendhilfe angewiesen sein. Diese Erwägung gilt auch, weil § 19 eine Altersgrenze für Mütter und Väter nicht kennt (Grube, in: Hauck/Haines, SGB VIII, § 19 Rz. 13).

Ziel der Betreuung in einer geeigneten Wohnform muss es sein, auf ein selbständiges Leben vorzubereiten und so Hilfe zur späteren Selbsthilfe zu leisten. Ist dagegen kein Ende der Leistung abzusehen, besteht auch kein Anreiz für eigenverantwortliches Engagement des Leistungsempfängers.

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