Rz. 25

Die Regelung überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 72 Abs. 1 BSHG, der wiederum auf der Entscheidung des BVerfG zur Gefährdetenhilfe beruhte (BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62).

Nach § 67 SGB XII sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft dazu nicht fähig sind. Bei den "besonderen Lebensverhältnissen" kann es sich dabei auch um gewaltgeprägte Lebensumstände handeln (von Renesse, in: Jahn, Kommentar zum SGB XII, § 67 Rz. 12).

Überschneidungen zwischen dem Anwendungsbereich des § 19 und dem des § 67 SGB XII sind insbesondere dann vorstellbar, wenn fehlende Erziehungskompetenz mit gewaltgeprägten familiären Lebensumständen einhergeht. Alleinerziehende mit einem Kind unter 6 Jahren haben in einer solchen Konstellation einen Anspruch auf beide Hilfen.

§ 67 Satz 2 SGB XII regelt, dass in einem solchen Fall die Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen nach dem SGB XII vorgehen.

 

Rz. 26

Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn unterschiedliche Sachverhalte und daher Zielsetzungen der Leistungen vorliegen. Flüchtet sich beispielsweise eine alleinsorgeberechtigte Mutter mit ihrem Kind unter 6 Jahren vor ihrem gewalttätigen Lebenspartner in ein Frauenhaus, ist Hilfe nach § 67 Satz 1 SGB XII zu gewähren. Den Schwerpunkt der Leistung bildet in diesem Fall nämlich nicht die Stärkung der Erziehungskompetenz der Personensorgeberechtigten, sondern der Schutz von Mutter und Kind vor Misshandlungen.

In der Regel wird die Unterbringung nicht mit einem Betreuungskonzept des öffentlichen Trägers zur Erziehungskompetenz gekoppelt sein, so dass pädagogische Unterstützung nicht geleistet wird.

Der Aufenthalt im Frauenhaus ist in diesem Fall nicht mit einer Unterbringung in einer gemeinsamen Wohnform gleichzustellen; es besteht damit keine Hilfeleistung nach § 19. Gleichgelagerte Ansprüche liegen folgerichtig nicht vor, so dass die Vorrangregelung des § 67 Satz 2 nicht eingriffe (vgl. hierzu Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 19 Rz. 21; Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, Kommentar zum SGB VIII, § 19 Rz. 15).

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