Rz. 68

§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist Ausdruck des Gestaltungsvorranges der Eltern, der das Wächteramt des Staates (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zurückdrängt (Ziegler, in: KK-FamR, § 1671 Rz. 10, 90). Sind sich die Eltern einig, ist dies grundsätzlich zu akzeptieren. Damit relativiert sich aber zugleich die praktische Bedeutung von § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Wenn sich die Eltern einig sind, dass einer die elterliche Sorge ganz oder alleine ausübt, liegt darin eine Ermächtigung, die ein Verfahren nach § 1671 Abs. 1 BGB erübrigt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 9.9.1998, 17 UF 309/98; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 2.3.2000, 5 UF 134/99). Die Bedeutung von § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt deshalb in den Fällen, in denen die Einigung auf keiner gefestigten Grundlage beruht und deshalb Rechtssicherheit geschaffen werden muss oder sich die Eltern mit unterschiedlichen Vorstellungen an das Familiengericht wenden. Kann das Familiengericht gleichwohl ein Einvernehmen herstellen (§ 156 FamFG), liegt darin zugleich die Zustimmung für eine ggf. notwendige Voll- oder Teilübertragung der elterlichen Sorge.

 

Rz. 69

Die Zustimmung des anderen Elternteils ist an keine Form gebunden, bis zur Entscheidung in letzter Tatsacheninstanz – formlos – widerruflich (OLG Celle, Beschluss v. 12.10.2006, 12 UF 111/06; Schwab, FamRZ 1998 S. 457, 461) und für das Familiengericht grundsätzlich bindend. Eine Begründung des Antrags ist nicht erforderlich, und das Familiengericht nimmt grundsätzlich keine Sachprüfung vor (Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1671 Rz. 10).

 

Rz. 70

Keine Bindung entfaltet die Zustimmung, wenn das Kind zumindest das 14. Lebensjahr vollendet hat und der von den Eltern beabsichtigten Regelung widerspricht. Dem Antrag kann dann nur unter den Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB stattgegeben werden, d. h. nach Prüfung, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten entspricht. Ein Vetorecht steht dem Kind nicht zu (BT-Drs. 13/4899 S. 99; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1671 Rz. 15), wenn auch sein Wille bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen ist (OLG Celle, Beschluss v. 12.10.2006, 12 UF 111/06; OLG Köln, Beschluss v. 18.5.2004, 4 UF 150/03; Beschluss v. 26.7.2004, 4 UF 135/04).

 

Rz. 71

Keine Bindung entfaltet das Einvernehmen darüber hinaus, wenn dadurch das Kindeswohl i. S. v. § 1666 Abs. 1 BGB gefährdet wird und deshalb abweichende Regelungen zu treffen sind (§ 1671 Abs. 3 BGB). Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung, muss das Familiengericht von Amts wegen tätig werden. Anlass für eine an § 1666 Abs. 1 BGB ausgerichtete Prüfung kann beispielsweise der Widerspruch eines noch nicht 14 Jahre alten Kindes gegen den einvernehmlichen Vorschlag der Eltern sein (Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1671 Rz. 15). In diesen Fällen stehen die Interessen des Kindes und der Eltern in einem erheblichen Gegensatz, so dass für das Kind i. d. R. ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist (§ 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Jenseits der hohen Eingriffsschwelle des § 1666 Abs. 1 BGB ist aber die Entscheidung der Eltern umzusetzen, selbst wenn eine andere Lösung für das Kind besser wäre.

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