Rz. 10

In der Neufassung des Abs. 1 Satz 1 durch das KICK werden erstmals die Schulen exemplarisch genannt. Zuständigkeitskonflikte entstehen immer wieder zwischen Schulverwaltung und Jugendhilfeträgern. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob bei Teilleistungsstörungen, wie Legasthenie (Lese- und Schreibschwäche) oder Dyskalkulie (Rechenschwäche) Kindern und Jugendlichen sonderpädagogische Förderung durch Schulträger oder Jugendhilfeträger zu gewähren ist. Diese Frage wird nun vom Gesetzgeber dahingehend beantwortet, dass zunächst einmal die Zuständigkeit der Schulträger gegeben ist. Die Teilleistungsschwächen stellen noch keine seelischen oder geistigen Behinderungen dar. Sie können jedoch zu einer seelischen Behinderung i. S. d. § 35a oder einem erzieherischen Defizit führen. Solange noch keine Behinderung vorliegt, ist grundsätzlich die Schulverwaltung verpflichtet, die geeigneten Hilfen zu gewähren. Ist die Behinderung bereits eingetreten, so ist zu prüfen, inwieweit sonderschulische Leistungen zur Verfügung stehen und inwieweit ansonsten der Jugendhilfeträger verpflichtet ist (OVG NRW, Beschluss v. 16.7.2004, 12 B 1338/04). Es genügt für die Annahme der Nachrangigkeit der Jugendhilfe nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht. Vielmehr kommt der in § 10 Abs. 1 zum Ausdruck kommende Vorrang der Förderung im öffentlichen Schulsystem nur dann zum Tragen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch wirklich zur Verfügung steht, d. h. rechtzeitig realisierbar ist (BayVGH, Beschluss v. 18.10.2016, 12 CE 16.2064, Rz. 4 m. w. N.).

 

Rz. 10a

Für zusätzlich erforderliche außerschulische Förderung ist stets der Jugendhilfeträger zuständig (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 14.4.1999, 24 A 118/96). Nach der Rechtsprechung darf der Jugendhilfeträger nicht schlichtweg auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme sonderschulischer Förderung oder sonstiger schulischer Leistungen (z. B. Inanspruchnahme eines Integrationshelfers) verweisen, soweit diese nicht tatsächlich zur Verfügung stehen. Vielmehr ist der Jugendhilfeträger immer subsidiär leistungspflichtig, soweit Vorschriften des SGB VIII die jeweilige Leistung vorsehen (BVerwG, Beschluss v. 22.5.2008, 5 B 203/07; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 14.1.2003, 9 S 2268/02). Ein Anspruch auf Gewährung jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe und dementsprechend auf Aufwendungsersatz für eine selbst beschaffte Maßnahme (z. B. schulische Integrationshelferin) kann Kindern oder Jugendlichen auch dann zustehen, wenn die Hilfemaßnahme nicht auf die Deckung des Gesamtbedarfs ausgerichtet ist, sondern nur einen Teilbedarf (hier: Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung) deckt (BVerwG, Urteil v. 18.10.2012, 5 C 21/11). Eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung stellt grundsätzlich keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe für eine angemessene Schulbildung dar (BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 10/11 R). Abweichendes kann im Einzelfall gelten, wenn der Schulträger seiner Verpflichtung nicht nachkommt.

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