0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Der den Regelungen zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe zugrundeliegende Gedanke sowie deren Sinn und Zweck im Gefüge des Sozialhilferechts erschließt sich dem Rechtsanwender auf den ersten Blick nicht ohne weiteres. Hilfreich bei der entsprechenden Erkenntnisgewinnung ist eine kurze Betrachtung der Entwicklung dieses Instituts, die im Folgenden angestellt wird.

0.1 Vom generellen zum eingeschränkten Kostenersatz

 

Rz. 2

Ursprünglich bestand im alten Fürsorgerecht die generelle Verpflichtung, die erhaltenen Fürsorgemittel, also die Fürsorgekosten, zu erstatten (§§ 25 bis 25c Reichsfürsorgeverordnung [RFV] und VO über den Ersatz von Fürsorgekosten v. 30.1.1951, BGBl. I S. 154). Der innere Grund dafür wurde im Wesen der Fürsorge gesehen, die Leistungen für jeden Bedürftigkeitsfall vorbringt, ohne irgendeine Voraussetzung als eben die der Bedürftigkeit zu verlangen (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 102 Rz. 2; Doering-Striening 2009 S. 1; Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 102 Rz. 1; Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, Rz. 1 vor §§ 102ff.).

 

Rz. 3

Unter der Geltung des Grundgesetzes, insbesondere des Sozialstaatsprinzips, setzte ein Wandel zugunsten der Einschränkung der generellen Kostenersatzpflicht ein. Über mehrere Abbaustufen wurde aus der generellen Kostenersatzpflicht eine generelle Kostenersatzfreiheit. Die Freistellung erfuhr nur in den Fällen eine Ausnahme, wenn angesichts des Einsatzes öffentlicher Mittel ohne jede Vorbedingung (insbesondere ohne Beitragszahlungen oder Erleiden eines Sonderopfers für die Allgemeinheit) der Verzicht auf einen Kostenersatz unvertretbar erschien: So etwa bei mutwilliger Herbeiführung der Bedürftigkeit oder dem Erben gegenüber, der durch den Erbfall ansonsten in den Genuss von in der Person des Hilfeempfängers geschützten Vermögensgegenständen käme (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 102 Rz. 2).

 

Rz. 4

Die derzeit geltenden Kostenersatzregelungen in §§ 102 bis 105 sind demnach als Überbleibsel einer einstmals umfassenden Kostenersatzpflicht anzusehen (Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., Rz. 1 vor §§ 102ff.).

0.2 Die BSHG-Regelung bis 31.12.2004

 

Rz. 5

In § 92 Abs. 1 BSHG war bestimmt, dass eine Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe "nach diesem Gesetz" nur in den Fällen der §§ 92a und 92c bestehe. Danach waren 3 unterschiedliche Ersatztatbestände zu unterscheiden:

 

Rz. 6

  • Kostenersatzpflicht des Erben zur Vermeidung eines ungerechtfertigten Erbenschutzes; diese (neue) Ersatzpflicht wurde am 1.10.1969 wirksam, bis dahin gab es wegen der (ab 1.10.1969 aufgehobenen) eigenständigen Ersatzpflicht des Erblassers/Hilfeempfängers eine solche Erbenhaftung nicht;
  • Kostenersatzpflicht bei mutwilligem Verhalten als verbliebener Kern der allgemeinen Kostenersatzpflicht bei zwar rechtmäßiger Sozialhilfegewährung, aber vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung der Umstände, die die sozialhilferechtlich relevante Bedürftigkeit begründeten;
  • Kostenersatzpflicht bei unrechtmäßigem Sozialhilfebezug, wenn also die Sozialhilfeleistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt wurde, ohne dass deren Voraussetzungen vorgelegen haben; dieser Sachverhalt war vordem außerhalb des Sozialhilferechts geregelt, zunächst ausgestaltet als so genannter öffentlich-rechtlicher Kostenersatzanspruch, sodann in § 50 SGB X.

0.3 Geltendes Recht

 

Rz. 7

Das neue Sozialhilferecht des SGB XII behält das überkommene BSHG-System grundsätzlich bei, insbesondere verbleibt es beim Kostenersatz als Ausnahmetatbestand.

 

Rz. 8

Neu ist die Aufgabe der bisherigen Beschränkung des Kostenersatzes auf diejenigen Sachverhalte, in denen der zum Kostenersatz Verpflichtete für sich oder für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe durch mutwilliges Verhalten herbeigeführt hat. Nach neuem Recht wird eine Ersatzpflicht auch dann ausgelöst, wenn jemand für beliebige sonstige Dritte die Voraussetzungen entweder für die rechtmäßige Leistung der Sozialhilfe (§ 103) oder aber für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe (§ 104) herbeigeführt hat.

 

Rz. 9

Der neue § 105, der keinen Vorgänger hat, schließt eine Gesetzeslücke (vgl. Komm. zu § 105).

 

Rz. 10

Neu eingebracht sind als jeweilige Parallele zum Ehegatten die Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266), zuletzt geändert durch Gewaltschutzgesetz v. 11.12.2001 (BGBl. I S. 3513).

1 Allgemeines

1.1 Sinn und Zweck des Kostenersatzes

 

Rz. 11

In Abweichung von der generellen Kostenersatzfreiheit (Rz. 3) der Sozialhilfe wird dieser Grundsatz für einige Tatbestände durchbrochen, weil in diesen die Kostenfreiheit als unbillig (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 102 Rz. 2) empfunden wird. Im neuen Recht fehlt zwar eine Vorschrift wie die des § 92 Abs. 1 BSHG, wonach eine Kostenersatzpflicht nur in den dort genannten Fällen entsteht, sie hatte aber auch da schon lediglich deklaratorische Bedeutung. Denn als Eingriff in die Rechte des Betroffenen bedarf die Heranziehung zum Kostenersatz in jedem Falle einer gesetzl...

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