Rz. 8

In den Abs. 2 bis 5 finden sich Bestimmungen über das Recht der Länder, abweichend von Abs. 1 Regelsätze festzusetzen.

2.2.1 Abweichende Festsetzung durch die Länder selbst (Abs. 2)

 

Rz. 9

Abs. 2 sieht vor, dass die Neufestsetzung durch Verordnung der Landesregierungen zu erfolgen hat. Die Verordnungsermächtigung kann von den Landesregierungen auf die zuständigen obersten Landesbehörden übertragen werden. Dies entspricht dem in § 28 Abs. 2 (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) geregelten Verfahren. Für die abweichende Regelsatzfestsetzung wurden die bereits darin enthaltenen Vorgaben übernommen. Dies bedeutet, dass sich die abweichende Neufestsetzung durch die Länder grundsätzlich vollständig am Verfahren des § 28 orientieren muss. Dabei sind anstelle der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich aus der bundesweiten Sonderauswertung der EVS ergeben, aus regionalen Sonderauswertungen der EVS ermittelte Regelbedarfsstufen zugrunde zu legen. Die in einem Land vorhandenen Besonderheiten, die sich auf die Höhe der Regelbedarfe auswirken, können bei der Neufestsetzung der Regelsätze berücksichtigt werden. Die abweichend ermittelten Regelbedarfe sind vom Jahr der Erhebung der EVS bis zum Jahr, das der Neufestsetzung vorausgeht, entsprechend den Vorgaben des § 28a Abs. 2 fortzuschreiben und ergeben die Regelsätze.

 

Rz. 10

Da die Länder aufgrund der Regelung in Satz 4 befugt sind, bei der Festsetzung auf ihr Land bezogene besondere Umstände zu berücksichtigen, können sie grundsätzlich auch vom RBEG abweichende Bewertungen vornehmen. Dennoch dürfte der hierdurch eröffnete Gestaltungsspielraum relativ gering sein (ausführlich dazu Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 25. EL XII/2011, § 29 Rz. 15 ff.). Denn auch die Länder sind bei der Festsetzung abweichender Regelsätze an das vom BVerfG aufgestellte Begründungs- und Transparenzgebot gebunden.

 

Rz. 11

Die Vorschrift ist jedenfalls unter 2 Aspekten nicht unproblematisch. Zum einen erscheint fraglich, ob die Festsetzung durch Verordnung, wie sie das Gesetz vorsieht, den Anforderungen des Urteils des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u. a., Rz. 136 f.) gerecht wird, wonach das Existenzminimum durch einen (parlamentsgesetzlichen) Anspruch gesichert sein muss (vgl. dazu ausführlich Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 25. EL XII/2011, § 29 Rz. 13). Außerdem stellt sich die Frage, wie das Abweichen von bundeseinheitlichen Regelsätzen (ggf. auch nach unten) mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang zu bringen sein kann, da die Vorschriften des SGB II eine solche Abweichungsmöglichkeit nicht vorsehen. Eine Rechtfertigung wäre wohl nur denkbar, wenn sich die Abweichung der Höhe nach aus der fehlenden Erwerbsfähigkeit des vom SGB XII erfassten Personenkreises ergeben würde. Davon kann aber nicht ausgegangen werden (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 29 Rz. 24).

2.2.2 Regionale Regelsätze (Abs. 3)

 

Rz. 12

Abs. 3 enthält Regelungen zur Möglichkeit der Festsetzung regionaler Regelsätze, d. h. solcher die nur für den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Sozialhilfeträgers gelten. Diese Möglichkeit bestand gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 (a. F.) auch schon in der Zeit vor dem 1.1.2011. Sinn der Vorschrift ist es, in noch differenzierterer Weise, als dies durch länderspezifische Regelsätze möglich ist, regionalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können.

 

Rz. 13

Ausgangspunkt sind dabei die sog. Mindestregelsätze, die die Länder nach Abs. 2 Satz 5 durch Rechtsverordnung festsetzen können. Unter die danach vorgegebenen Werte darf der örtliche Träger bei der Festsetzung seiner regionalen Regelsätze nicht zurückfallen. Die Sozialhilfeträger sind bei der Neufestsetzung an die Vorgaben gebunden, die auch für die Länder bei der Neufestsetzung gelten (BT-Drs. 17/3404 S. 123). Die örtlichen Träger dürfen regionale Besonderheiten sowie statistisch nachweisbare Abweichungen in den Verbrauchsausgaben berücksichtigen. Regionale Besonderheiten sind etwa deutlich höhere Lebenshaltungskosten in bestimmten größeren Städten.

 

Rz. 14

Die praktische Bedeutung (auch dieser Bestimmung) ist bislang eher gering geblieben. In der Vergangenheit haben nur einige Städte und Landkreise in Bayern regionale Regelsätze festgesetzt (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 29 Rz. 21). So erlässt z. B. die Landeshauptstadt München jährlich Regelsatzfestsetzungsverordnungen, die gegenüber den von der Bundesregierung bundeseinheitlich festgesetzten Regelsätzen um etwa 5 % nach oben abweichende Regelsätze festlegen (Stand: 1.1.2020). Als Grundlage hierfür dient ein wissenschaftliches Gutachten aus dem Jahr 2012 über den Kaufkraftindex, der in München oberhalb des Bundesdurchschnitts liegt. Die Kommune hat sich dabei auf § 3 Abs. 2, § 29 Abs. 3 SGB XII i. V. m. § 98 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG) gestützt. Nach dieser landesrechtlichen Norm gelten die in § 28 ermittelten und nach § 28a fortgeschriebenen Regelbedarfsstufen in Bayern als Mindestregelsätze (Abs. 1). § 98 Abs. 2 Satz 1 AVSG ermächtigt die Träge...

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