2.1 Beratung durch eine erfahrene Fachkraft

 

Rz. 2

Abs. 1 regelt einen Anspruch auf Beratung, wobei der Gesetzgeber den Kreis der Anspruchsberechtigten wohl bewusst weit gefasst und grob umrissen hat. Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, sind in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Gemeint sind nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6256 S. 39) auch die außerhalb des Systems der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Berufsgruppen. Sie nimmt auch die Schulen in den Blick und weist insoweit auf weitere Unterstützungsleistungen aufgrund landesrechtlicher Vorschriften hin. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf örtlicher Ebene, an die sich die Ansprüche auf Beratung richten, sind verpflichtet, im Rahmen der Gesamtverantwortung einen Pool von Fachkräften im Kinder- und Jugendschutz vorzuhalten. Der Beratungsanspruch soll bei der Einschätzung der Kindeswohlgefährdung im Einzelfall bestehen. Gemäß § 8a Abs. 4 Nr. 2 soll in den Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten der freien Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt werden, dass bei der Gefährdungseinschätzung eine erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird.

 

Rz. 2a

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 4 KKG zu sehen. Dort werden in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 Personengruppen genannt, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 KKG Anspruch auf Beratung haben sollen. Die Formulierungen in § 4 Abs. 1 KKG einerseits und § 8b Abs. 1 sind jedoch unterschiedlich. Während es sich bei den in § 4 Abs. 1 KKG genannten Personengruppen um die Berufsgeheimnisträger handelt, die in § 203 StGB aufgeführt sind, ist der in § 8b Abs. 1 genannte Personenkreis wesentlich weiter gefasst. Neben den in der Kinder- und Jugendhilfe beruflich Tätigen gehören auch außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen, die aber beruflich Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, dazu (Kößler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 8b Rz. 12 m. w. N.). Obwohl beide Regelungen durch das BKiSchG eingeführt wurden, sind sie nicht aufeinander abgestimmt, was zu Recht als unsystematisch zusammengewürfelter Normenmix ("Cocktailgesetz") bezeichnet wird (Kunkel, in: LPK SGB VIII, 5. Aufl., Anhang 1 zu § 1 Rz. 6). Während dem in § 4 Abs. 1 KKG genannten Kreis der Berufsgeheimnisträger neben dem Beratungsanspruch auch Handlungspflichten auferlegt werden, normiert § 8b Abs. 1 für den weiter gefassten Personenkreis ausschließlich einen Beratungsanspruch. Die Pseudonymisierung bei der Übermittlung der für die Beratung erforderlichen Daten (vgl. dazu die Komm. zu § 4 KKG Rz. 4) ist in Abs. 1 nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird aber auch hier als Voraussetzung für eine qualifizierte, den Regelungen des Datenschutzes genügende Vorgehensweise zugrunde gelegt (Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl., § 8b Rz. 6). Ehrenamtlich tätige Personen, die nicht in einer entlohnten Erwerbstätigkeit mitwirken, sind nicht einbezogen (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 8b Rz. 9).

2.2 Beratungsanspruch der Einrichtungsträger

 

Rz. 3

Abs. 2 richtet sich an die Träger von Einrichtungen nach § 45a im Anwendungsbereich des Erlaubnisvorbehalts nach § 45, in denen sich Kinder regelmäßig ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten. Dazu gehören Kindertageseinrichtungen, Schülerheime, Jugendherbergen, Jugendfreizeitstätten, Jugendbildungsstätten und Schullandheime. Ihnen und den nach §§ 12, 18 bis 29 zuständigen Leistungsträgern steht ein Anspruch auf Beratung gegenüber dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe zu. Er bezieht sich auf die Beratung sowohl bei der Entwicklung und Anwendung von Leitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt (Abs. 2 Nr. 1) als auch bei der Entwicklung von Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei strukturellen Entscheidungen und in Beschwerdeverfahren (Nr. 2). Der Anspruch richtet sich gegen den überörtlichen Träger. Die Regelungen entsprechen den Vorschlägen des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch" und des Runden Tisches "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren". Damit wird die in § 85 Abs. 2 Nr. 7 normierte Verpflichtung der überörtlichen Träger konkretisiert.

2.3 Berücksichtigung der speziellen Schutzbedürfnisse

 

Rz. 4

Abs. 3 stellt klar, dass sowohl bei der fachlichen Beratung nach Abs. 1 bei Gefährdungseinschätzung von Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, als auch bei der konzeptionellen Beratung von Einrichtungsträgern nach Abs. 2 über fachliche Handlungsleitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt sowie zu Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren die speziellen Schutzbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen berücksichtigt werden. Hierdurch wird der Verpflichtung aus Art. 16 der VN-Behindertenrechtskonvention Rechnung getragen (BT-Drs. 19/26107 S. 75).

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