0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 10.6.2021 eingeführt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die durch das KJSG eingeführte Vorschrift ersetzt die zuvor in § 45 Abs. 1 ansatzweise enthaltene Definition des Begriffs der kinder- und jugendhilferechtlichen Einrichtung und ergänzt diese. Sie bewegt sich innerhalb des Rahmens der zuvor in Rechtsprechung und Literatur herausgebildeten Definition des Einrichtungsbegriffs. Dieser knüpft an den sozialhilferechtlichen Begriff der Einrichtung an (Busse, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 45a Rz. 3). § 45 Abs. 1 Satz 1 nimmt seither auf die Legaldefinition in § 45a Bezug. Satz 2 und 3 grenzen den Begriff der Einrichtung bei familienähnlichen Betreuungsformen ab. Satz 4 enthält eine Öffnungsklausel für landesrechtliche Regelungen.

2 Rechtspraxis

2.1 Einrichtung und Trägerschaft

 

Rz. 3

Satz 1 führt eine ganze Reihe von Merkmalen auf, die den unbestimmten Rechtsbegriff der Einrichtung kennzeichnen. Die Einrichtung steht unter der Verantwortung eines Trägers. Der Träger kann öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich strukturiert sein. Verantwortung bedeutet, dass der Träger vertragliche und gesetzliche Pflichten übernimmt (Busse, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 45a Rz. 15). Die Einrichtung ist auf eine gewisse Dauer angelegt. Mit den Kriterien "gewisse Dauer" und "förmliche Verbindung ortsgebundener räumlicher, personeller und sachlicher Mittel" wird der institutionelle Charakter von Einrichtungen betont (BT-Drs. 19/26107 S. 102). In der Kommentarliteratur wird zum Teil empfohlen, das Minimum auf 3 Monate Betriebsdauer anzusetzen (Nonninger, in: LPK-SGB VIII, § 45 Rz. 9). Im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm sollte jedoch der Zeitraum im jeweiligen Einzelfall unter Einbeziehung weiterer Kriterien des Einrichtungsbegriffs bestimmt werden. Auch sog. Waldkindergärten sind als Einrichtung anzusehen, sofern ihnen ortsgebundene Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Bei "Kleinsteinrichtungen" stellt sich allerdings die Frage, ob es sich überhaupt um eine Einrichtung oder "nur" um eine Pflegestelle i. S. v. § 44 handelt (Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 45 Rz. 36).

2.2 Institutionelle Gebundenheit

 

Rz. 4

Die Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck und die Losgelöstheit von den konkreten Personen, die die Einrichtung in Anspruch nehmen, waren bereits Teil der Begründung zum Einrichtungsbegriff des KJHG (BT-Drs. 11/5948 S. 83 f.) und wurden seither zur Auslegung von § 45 Abs. 1 Satz 1 herangezogen. Mit dem KJSG fanden diese Kriterien Eingang in den Gesetzeswortlaut (BT-Drs. 19/26107 S. 102). Mit den (neben "Unterkunftsgewährung" und "Betreuung") aufgeführten Kriterien "Beaufsichtigung", "Erziehung", "Bildung" und "Ausbildung" wird die Auflistung der Zwecke vervollständigt, denen eine Einrichtung i. S. des Kinder- und Jugendhilferechts dienen kann. Hierdurch werden "Einrichtungen", die besonderen Zwecken außerhalb des Bereiches des SGB VIII dienen und bei denen Betreuung und Unterkunft im weiteren Sinne nur untergeordnete Bedeutung haben, abgegrenzt (z. B. Krankenhäuser und Sporteinrichtungen), womit einem weiteren Klarstellungsbedarf im Gesetz Rechnung getragen wird. Der Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/26107 S. 102) verweist auf Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 45 Rz. 30.

2.3 Orts- und Gebäudebezug

 

Rz. 5

In sächlicher Hinsicht muss ein Orts- und Gebäudebezug vorhanden sein. Dieser Bezug kann auch bei einer räumlich dezentralen Unterbringung von Organisationsteilen gegeben sein, wenn die Teile der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers so zugeordnet sind, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen (des Konzeptes) anzusehen sind, z. B. bei einem ausgelagerten Pavillon eines Kindergartens (BVerwG, Urteil v. 24.2.1994, 5 C 42.91; VG Potsdam, Urteil v. 17.8.2004, 11 K 6462/00). Nicht erfasst werden aber ambulante Maßnahmen (z. B. organisierte Spaziergänge und Ausflüge). Hier bedarf es keiner präventiven Kontrolle durch die Landesjugendämter, weil kein Schutzbedürfnis besteht und eine entsprechende Aufsicht der Landesjugendämter (z. B. örtliche Prüfung nach § 46) praktisch nicht durchführbar wäre. Dem Einrichtungsbegriff unterfallen ebenfalls nicht Hotels und Gaststätten, auch soweit dort überwiegend Minderjährige aufgenommen werden. Der Gesetzgeber hat diese mit dem KICK v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) aus dem Einrichtungsbegriff (durch Streichung der Ausnahmevorschrift in § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3b a. F.) herausgenommen, weil er kein generelles Bedürfnis mehr für eine behördliche Kontrolle sah. Die Eltern sollen im Rahmen ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, in welchen Hotels und Gaststätten sich ihre Kinder aufhalten (BT-Drs. 15/3676 S. 38).

2.4 Wechselnder Personenkreis

 

Rz. 6

Ferner ist eine Einrichtung nur gegeben, wenn die Institution in ihrem Bestand und Charakter weitgehend unabhängig vom Wechsel ihrer Benutzer ist (BT-Drs. 11/5948 S. 83), also der Minderjährigen, die dort – ganztägig oder ...

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