0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Heimaufsicht beinhaltete bereits nach § 78 Abs. 5 JWG den Auftrag zur regelmäßigen örtlichen Prüfung. Diese Prüfung wurde mit Ausnahme der Regelmäßigkeit (jetzt: nach den Erfordernissen des Einzelfalles) in § 46 übernommen. Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) wurde in Abs. 1 Satz 2 eine Mitwirkungspflicht für den Einrichtungsträger geregelt. Durch Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde die gesamte Vorschrift mit Wirkung zum 10.6.2021 neu gefasst. Die Prüfmöglichkeiten der erlaubniserteilenden Behörde nach Erteilung der Betriebserlaubnis wurden neu strukturiert und teilweise erweitert; Prüfbefugnisse im schriftlichen Verfahren wurden gesetzlich klargestellt. Dementsprechend erhielt die Norm eine neue Überschrift, da sie nicht mehr ausschließlich Prüfungen vor Ort regelt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift dient dem Schutz von Minderjährigen in Einrichtungen. Sie ergänzt gemeinsam mit §§ 47 f. die in § 45 geregelte Betriebserlaubnis. Nach deren Erteilung soll das Landesjugendamt nach Abs. 1 Satz 1 örtlich prüfen, ob das Kindeswohl in der Einrichtung weiterhin gewährleistet ist. Ziel dieser Prüfung ist die Klärung der Frage, ob ein weiteres Tätigwerden erforderlich ist, insbesondere eine Beratung, ggf. aber auch eine Rücknahme oder ein Widerruf der Erlaubnis bis hin zur Inobhutnahme der Minderjährigen nach § 42. Bei dieser örtlichen Prüfung sollen der Einrichtungsträger nach Abs. 1 Satz 2 mitwirken und das örtliche Jugendamt und ein zentraler Träger der freien Jugendhilfe nach Abs. 1 Satz 3 beteiligt werden. Absatz 2 regelt die Befugnisse während der Überprüfung.

2 Rechtspraxis

2.1 Voraussetzungen und Intensität der Prüfung

 

Rz. 3

Der in Abs. 1 Satz 1 festgeschriebene Prüfauftrag ("soll") gilt nur für erlaubnispflichtige Einrichtungen. Denn der zuständige Jugendhilfeträger soll nach den Gegebenheiten des Einzelfalles prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebserlaubnis weiterbestehen. Dieser Überwachungsauftrag bedeutet aber keine permanente, allumfassende Kontrolle jeder erlaubnispflichtigen Einrichtung. Häufigkeit und Ausmaß der Überprüfung sind vielmehr nach den Erfordernissen des Einzelfalles zu bestimmen; sie hat im Gegensatz zur Vorgängervorschrift in § 78 Abs. 5 JWG nicht regelmäßig zu erfolgen. Es soll Aufgabe der zuständigen Behörde sein, den Prüfbedarf zu ermitteln, der nicht auf "Verdachtsfälle" begrenzt ist, sich aber auch und insbesondere bei anlasslosen Prüfungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen muss. Kriterien hierfür können die Aufgabenstellung der Einrichtung oder die Einhaltung von Absprachen oder Auflagen in der Vergangenheit sein (BT-Drs. 19/26107 S. 103.

 

Rz. 4

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist gemäß Abs. 1 Satz 2 einerseits zu würdigen, dass der Staat in der Pflicht steht, das Kindeswohl zu schützen (§ 8a). Andererseits muss staatliche Überwachung stets verhältnismäßig erfolgen (BT-Drs. 11/5948 S. 83) unter Einbeziehung des Überwachungszwecks, der hier in der Überprüfung des Fortbestandes der Erlaubnisvoraussetzungen liegt. Hieraus folgt für Häufigkeit, Art und Umfang der Prüfung, dass diese durch einen konkreten Anlass gerechtfertigt, also verhältnismäßig sein muss. Dies hängt wiederum davon ab, welches abstrakte Gefährdungspotenzial die Einrichtung mit sich bringt; die Schwelle liegt bei einer Einrichtung mit intensiverem Betreuungsangebot (z. B. Kleinkinder oder behinderte Minderjährige) beispielsweise niedriger als bei einer, in der Jugendliche lediglich untergebracht sind. Ein konkreter Anlass für eine örtliche Prüfung kann insbesondere gegeben sein, wenn es zu größeren Personalveränderungen (BVerwG, Beschluss v. 8.7.1986, 5 B 38/85), einem Austausch der Leitung oder zu Veränderungen der Gruppenstruktur gekommen ist (Lakies, NDV 1991 S. 226, 228) oder eine Beschwerde vorliegt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 7.2.2007, 6 Sa 279/05).

 

Rz. 5

Auch die Intensität der Prüfung ist jeweils einzelfallabhängig unter Berücksichtigung des "Gefahrenpotenzials" der Einrichtung zu bestimmen. Je höher das Schutzbedürfnis der Minderjährigen ist, desto intensiver hat die Prüfung zu erfolgen. Sie erstreckt sich allgemein auf alle Aspekte, die für die Erteilung der Betriebserlaubnis von Relevanz waren, also insbesondere auf personelle/fachliche Gesichtspunkte (geeignete Betreuungskräfte, Integration), aber auch räumliche, sächliche, gesundheitliche, hygienische und wirtschaftliche Aspekte.

2.2 Zuständigkeit und Beteiligung Dritter

 

Rz. 6

Für die örtliche Prüfung ist nach § 85 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 und 5 in sachlicher Hinsicht das Landesjugendamt bzw. die nach Landesrecht bestimmte Behörde zuständig. Ferner sollen an der örtlichen Prüfung nach Abs. 1 Satz 3 sowohl das örtliche Jugendamt als auch ein zentraler Träger der freien Jugendhilfe beteiligt werden, was eine rechtzeitige Abstimmung des Prüftermins erforderlich macht (Lakies, a. a. O.). Die örtliche Zus...

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