1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 76 ermöglicht eine begrenzte Einbindung der freien Jugendhilfe auch in den hoheitlichen Aufgabenkreis der öffentlichen Jugendhilfe. Die Vorschrift knüpft damit an die Ermächtigung in § 3 Abs. 3 Satz 2 an. Danach können Träger der freien Jugendhilfe andere Aufgaben der Jugendhilfe (siehe dazu den gesetzlichen Aufgabenkatalog in § 2 Abs. 3) wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden, soweit dies ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist. Erfolgt eine solche Bestimmung nicht, bleiben sie der öffentlichen Jugendhilfe vorbehalten (§ 3 Abs. 3 Satz 1). Die Betätigung der freien Jugendhilfe ist dann auf die Leistungserbringung beschränkt (§ 3 Abs. 2 Satz 1). § 76 enthält die hiervon in § 3 Abs. 3 Satz 2 vorgesehene Ausnahme. Die Vorschrift bestimmt, an welchen Aufgaben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Träger der freien Jugendhilfe beteiligen können.

 

Rz. 2

Zu ihrer Umsetzung bedarf es noch eines eigenen Betrauensaktes, der in das Ermessen der Jugendbehörden gestellt ist (vgl. näher Rz. 9 ff.). Der Grund hierfür liegt in der Natur der übertragenen Aufgaben. Diese stellen entweder typische Aufgaben der Eingriffsverwaltung dar oder sind so bedeutsam, dass sie der Gesetzgeber grundsätzlich der staatlichen Exekutive vorbehalten wollte. Es handelt sich um Maßnahmen, zu denen beispielsweise die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen, die Herausnahme des Kindes oder des Jugendlichen ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten oder eine Tätigkeitsuntersagung gehören.

 

Rz. 2a

Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher v. 28.10.2015 (BGBl. I S. 1802) mit Wirkung zum 1.11.2015 geändert. Durch Art. 12 Nr. 8 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021 (BGBl. I S. 882) wurde Abs. 1 mit Wirkung zum 1.1.2023 an die Einführung des § 53a angepasst.

2 Rechtspraxis

2.1 Anerkannte Träger der Jugendhilfe

 

Rz. 3

Die Beteiligung ist beschränkt auf anerkannte Träger der freien Jugendhilfe. Die damit einhergehende Privilegierung gegenüber nicht anerkannten Trägern ist im Hinblick auf die besondere Tragweite der Aufgaben, an denen die Träger der freien Jugendhilfe beteiligt werden sollen, für den Jugendschutz sachlich gerechtfertigt (so auch Schindler, in: LPK-SGB VIII, § 76 Rz. 4). Die Beteiligung auf diese Träger der freien Jugendhilfe zu beschränken, begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 76 Rz. 12; Schindler, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, § 76 Rz. 4).

 

Rz. 3a

Die Anerkennungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 75. Das Anerkennungsverfahren unterzieht den Träger einer staatlichen Überprüfung seiner fachlichen Qualifikation, Zuverlässigkeit und Erfahrung auf dem Gebiet der Jugendhilfe. Hinsichtlich der Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie der auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege werden die besonderen Merkmale der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 75 Abs. 3 gesetzlich vermutet.

2.2 Übertragbare Aufgaben der Jugendhilfe

 

Rz. 4

Eine Beteiligung freier Träger oder die Übertragung zur Ausführung kommt hinsichtlich folgender Aufgaben der Jugendhilfe in Betracht (vgl. ausführlich dazu Maas/Törnig, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 76 Rz. 12 ff.):

  • die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 (eine Herausnahme des Kindes oder des Jugendlichen ohne Zustimmung des Personenberechtigten, die in § 43 a. F. geregelt war, ist in dem neu gefassten § 42 aufgegangen; vgl. hierzu die Kommentierung zu § 42);
  • die Vorbereitung und Erteilung der Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 (wurde durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz v. 8.8.2005 zunächst gestrichen, dann aber durch das Kinderförderungsgesetz v. 10.12.2008 wieder eingefügt; vgl. dazu Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 76 Rz. 3; Happe/Saurbier, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 76 S. 1);
  • die Mitwirkung in Verfahren vor den Vormundschafts- und Familiengerichten nach § 50;
  • die Beratung und Belehrung im Verfahren zur Annahme als Kind nach § 51;
  • die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz nach § 52;
  • die Beratung und Unterstützung bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 52a sowie
  • die Beratung und Unterstützung von Pflegern und Vormündern nach § 53a.
 

Rz. 5

Dieser Katalog übertragbarer Aufgaben ist abschließend (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 23.7.2010, J 1.400 LS, JAmt 2010 S. 430). Der Gesetzgeber hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er eine Übertragung nur für die im Gesetz genannten Aufgaben ermöglichen wollte. Dies schließt eine entsprechende Anwendung auf sonstige andere Aufgaben der Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 3 aus.

2.3 Form der Beteiligung

 

Rz. 6

Anerkannte Träger der freien Jugendhilfe können an der Durchführung von Aufgaben entweder beteiligt werden oder ihnen können Aufgaben zur Ausführung übertragen werden.

Die Beteiligung an der Durchführung von Aufgaben bezieht sich nach ihrem Wortsinn auf Fälle, in denen der öffentliche Träger den freien Träger...

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