Rz. 54

Ungeachtet der grundsätzlichen Eröffnung von Ermessen kann dieses sich im Einzelfall auf Null reduzieren (Ermessensreduktion), so dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtmäßig nur noch in der beantragten Art und Höhe über die Förderung entscheiden kann.

 

Rz. 55

Das Ermessen der öffentlichen Träger kann zunächst durch bindende Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers sowie Richtlinien zum Landesjugendplan und ministerielle Erlasse eingeschränkt sein (zum Jugendhilfeplan vgl. v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 74, Rz. 26; BVerwG, NDV-RD 1997 S. 33). So muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe etwa berücksichtigen, wenn ein Kindergarten des freien Trägers in die Bedarfsplanung aufgenommen worden war, um den sich aus § 24 Satz 1 ergebenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen, sodass dieser Kindergarten für die Bedarfsdeckung tatsächlich erforderlich ist. Aus dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz folgt dann eine besondere Verantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die ein Ermessen dahingehend reduziert, dass eine Förderung stattfinden muss (OVG Schleswig-Holstein, SchlHA 2002 S. 263; VGH München, Beschluss v. 23.8.2006, 12 CE 06.1468).

 

Rz. 56

Das Ermessen kann sich daneben aus grundrechtlichen Bindungen oder Gründen des Vertrauensschutzes zu einem Anspruch auf Förderung verdichten (vgl. BayVGH, DVBl. 2004 S. 305). Keine Ermessensreduzierung entsteht grundsätzlich dann, wenn die Bewilligung einmal erteilt wurde und erneut beantragt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 11.5.2006, 5 C 10/05; OVG Münster, NDV-RD 1996 S. 100; OVG Münster, Urteil v. 26.9.2003, 12 B 1727/03; v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 74 Rz. 20). Eine über viele Jahre andauernde Förderung könnte indessen nach den Umständen durchaus Vertrauensschutz auslösen. Gleiches gilt für andere Umstände, die eine entsprechende Erwartung begründen.

 

Rz. 56a

Die Zuwendungsbescheide enthalten in aller Regel den Hinweis darauf, dass Zuwendungen in der Zukunft jederzeit reduziert oder beendet werden können und dass die Förderung ohnehin unter dem Vorbehalt entsprechender Haushaltsmittel steht. Auch der Grundsatz der Jährlichkeit des Haushaltsrechts steht einem Vertrauensschutz entgegen, der zu einem Anspruch auf Förderung in bestimmter Höhe führt. Entsprechende Erwartungen des Zuwendungsempfängers wären also nicht schutzwürdig. Gleichwohl sprechen gute Gründe dafür, dass eine über viele Jahre andauernde Förderung durchaus einen solchen Vertrauensschutz auslösen kann (str.; ablehnend: BVerwG, SRa 2010 S. 32, 38 f.; VG Düsseldorf, RsDE 25 S. 92; grundsätzlich wie hier für Vertrauensschutz: VG Köln, RsDE 29 S. 109; VG Frankfurt/M., ZfJ 1995 S. 335; Wabnitz, ZfJ 2003 S. 174; ders. 2007 S. 491; Kunkel, ZfJ 2000 S. 413, 416; offenlassend OVG Nordrhein-Westfalen, JAmt 2004 S. 43; VG Hamburg, Urteil v. 6.4.2006, 13 K 1709/05; dagegenv. Boetticher/Münder, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, § 74, Rz. 22). Denn die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe begründet auch erhöhte wechselseitige Rücksichtnahmepflichten. Das gilt namentlich dann, wenn die Aufnahme der Betätigung erhebliche Investitionsrisiken begründet. Mit der Förderung begründet die öffentliche Jugendhilfe dann eine Verantwortung, von der sie sich nicht durch salvatorische Klauseln freizeichnen kann. Das dürfte die gegenteilige Rechtsprechung nicht hinreichend berücksichtigt haben. Zumindest dann, wenn der Zuwendungsempfänger aufgrund der Förderung zwangsläufig finanzielle Verpflichtungen durch Arbeitsrecht oder Investitionen eingehen muss, um die geförderte Maßnahme zu verwirklichen, denen er nicht ohne erheblichen Schaden entrinnen kann, muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe dem also durch eine Übergangsförderung Rechnung tragen. Diese ist angemessen befristet, wenn sie sich an Abschreibungszeiträumen und arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen orientiert und auf diese Weise erlaubt, unvermeidlichen finanziellen Bindungen gerecht zu werden. Diesem Vertrauensschutz muss die Förderung anderer Maßnahmen gegenüber zurückstehen.

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