Rz. 24

Die Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht wird als 4. Fallgruppe von Abs. 1 Satz 1 bezeichnet. Diese Mitwirkungspflicht ist nicht auf eine ergänzende Erbringung von existenzsichernden Leistungen i. S. d. §§ 3, 4 AsylbLG gerichtet, sondern auf erforderliche Leistungen zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6 Rz. 99; Kraus, in: Siefert, AsylbLG, § 6 Rz. 49). Dazu gehören asylverfahrensrechtliche und ausländerrechtliche Pflichten (Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, § 6 Rz. 19). Sie müssen nicht im Zusammenhang mit Leistungspflichten nach dem AsylbLG stehen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 24; a. A.: Schellhorn/Hohm/Scheider/Hohm, SGB XII AsylbLG, § 6 Rz. 23). Ansonsten würde der Anwendungsbereich dieser Fallgruppe zu sehr eingeschränkt.

 

Rz. 25

Zu den Ansprüchen auf die Kosten im Rahmen einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht gehören insbesondere Kosten im Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten nach § 7 Abs. 4 AsylbLG i. V. m. §§ 60 bis 63 SGB I, Meldepflichten nach § 8a AsylbLG, Fahrtkosten im Rahmen einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeordnete Anhörung (§§ 15, 24, 25 AsylVfG). Dass nicht lediglich Mitwirkungspflichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfasst sind, folgt aus der Formulierung "verwaltungsrechtlich". Bereits nach dem Wortlaut sind alle dem Verwaltungsrecht zurechenbaren Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen

 

Rz. 26

Zu den Kosten zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht gehören auch Passbeschaffungskosten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.3.2008, L 20 AY 16/07; SG Oldenburg, Urteil v. 16.6.2008, S 21 AY 12/07; SG Bremen, Beschluss v. 6.1.2011, S 15 AY 81/10 ER). Die in § 3 Abs. 1 AufenthG geregelte Passpflicht besagt, dass Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten dürfen, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch eine Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch durch Besitz eines Ausweisersatzes i., d. § 48 Abs. 2 AufenthG. In § 48 Abs. 1 AufenthG sind ergänzende ausweisrechtliche Pflichten geregelt. Hiernach ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass, Passersatz oder seinen Ausweisersatz und seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen. Die Erfüllung der Pflichten nach § 3 i. V. m. § 48 Abs. 2 AufenthG ist strafbewehrt (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Analogleistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG können aus § 6 AsylbLG keine Rechte herleiten, weil die Vorschriften des SGB XII an die Stelle der Vorschriften über die existenzsichernden Leistungen des AsylbLG treten (BSG, Urteil v. 24.6.2021, B 7 AY5/20 R). Das VG Aachen (Urteil v. 25.10.2016, 8 K 745/14) differenziert zwischen den Passbeschaffungskosten im engeren Sinne und solchen Kosten, die etwa für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes im Heimatland aufgewendet werden müssen, um einen erfolgversprechenden Antrag auf Ausstellung eines Passes stellen zu können (hier: Armenien). Bei den letztgenannten Kosten ist nach Auffassung des VG Aachen ein Anspruch aus § 6 auch nach der Einbeziehung von Passkosten in die Regelsätze nicht ausgeschlossen.

 

Rz. 27

Zu den nach Fallgruppe 4 übernahmefähigen Kosten gehören auch Fahrtkosten zu Ausländer- und Asylbehörden bei Anordnung des persönlichen Erscheinens oder zur Anhörung im Asylverfahren nach § 25 AsylG. Verfügt der Ausländer nicht über genügend Mittel, den o. g. Pflichten nachzukommen, wird das Ermessen des Leistungsträgers bei der Bewilligung von Leistungen nach § 6 regelmäßig auf Null reduziert sein (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.3.2008, L 20 AY 16/07). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Ausländer sonst nicht von der Bleiberechtsregelung in § 104a AufenthG (sog. Altfallregelung) profitieren kann. Es wäre mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren, wenn die Rechtsordnung auf der einen Seite etwas zu gewähren bereit ist, was sie auf der anderen Seite (leistungsrechtlich) durch mangelhafte finanzielle Ausstattung der grundsätzlich Anspruchsberechtigten unmöglich machen würde. Zu den Passbeschaffungskosten gehören auch die Kosten für die Erstellung von Passfotos, Gebühren für Staatsangehörigkeitsnachweise, Passgebühren und zwingend notwendige Reisekosten in Gestalt der Aufwendungen für das preisgünstigste Verkehrsmittel (vgl. hierzu auch SG Wiesbaden, Urteil v. 9.5.2008, S 21 AY 9/07, das im konkreten Fall auch einen Anspruch auf Ersatz bereits getätigter Aufwendungen bzw. Tilgung von Schulden bejaht hat).

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