Rz. 15

Die Verpflichtung zur Wahrnehmung einer angebotenen Arbeitsgelegenheit trifft alle Empfänger von Grundleistungen nach §§ 1, 3 und von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1. Die Leistungsempfänger dürfen allerdings nicht mehr im schulpflichtigen Alter sein. Die Schulgesetze der Länder bestimmen den Beginn und die Dauer der Schulpflicht als Vollschulpflicht und als Berufsschulpflicht (vgl. beispielhaft §§ 35, 37, 38 SchulG NRW, Art. 35, 37, 39 BayEUG). Die Schulpflicht beginnt demnach mit Vollendung des 6. Lebensjahres an einem im Gesetz bestimmten Stichzeitpunkt und dauert je nach Bundesland 10 oder 12 Jahre. Maßgeblich ist das schulpflichtige Alter und nicht, ob der betreffende Leistungsempfänger überhaupt der Schulpflicht unterliegt.

 

Rz. 16

Die Verpflichtung trifft nur arbeitsfähige nicht erwerbstätige Leistungsempfänger. Arbeitsfähigkeit ist nicht mit dem Begriff der Erwerbsfähigkeit nach § 8 SGB II oder mit dem rentenrechtlichen Begriff der Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI gleichzusetzen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 5 Rz. 26; Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 5 Rz. 62 f.; Siefert, AsylbLG, § 5 Rz. 9; a. A. Birk, in: LPK-SGB XII, AsylbLG, § 5 Rz. 2; Adolph, in: Linhart/Adolph/Gröschel-Gundermann, SGB II/SGB XII/AsylbLG, AsylbLG, § 5 Rz. 38). Vielmehr ist der krankenversicherungsrechtliche Begriff der Arbeitsfähigkeit bzw. der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich. Danach ist arbeitsunfähig derjenige Versicherte, der wegen Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen oder gleichartigen Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil v. 13.8.2002, B 2 U 30/01 R). Arbeitsfähig ist derjenige, der physisch und geistig in der Lage ist, die von ihm geforderten Tätigkeiten zu verrichten (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, a. a. O., Rz. 26). Wer einer selbständigen Tätigkeit oder einer abhängigen Beschäftigung nachgeht, ist erwerbstätig und daher nicht verpflichtet, eine zur Verfügung gestellte Arbeitsgelegenheit wahrzunehmen. Der Leistungsempfänger muss im Falle der Weigerung die Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Dazu kann er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes vorlegen. Zum Nachweis kann auch eine amtsärztliche Untersuchung dienen.

 

Rz. 17

Das Angebot einer Arbeitsgelegenheit und die damit verbundene Verpflichtung zu deren Wahrnehmung ist durch Verwaltungsakt (Bescheid) dem Leistungsempfänger bekanntzugeben (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 5 Rz. 68). Der Verwaltungakt muss hinreichend bestimmt sein. Dazu müssen Ort, Zeit, Dauer, Umfang und die näheren Umstände genau umschrieben und verständlich dargestellt werden. Der Bescheid kann mit der Belehrung über die Folgen einer unberechtigten Weigerung (Abs. 4 Satz 3) verbunden werden. Der Bescheid und die Belehrung können in deutscher Sprache abgefasst werden, denn gemäß § § 23 Abs. 1 VwVfG ist die Amtssprache Deutsch. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid haben gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung.

 

Rz. 18

Gemäß Abs. 4 Satz 2 besteht bei unbegründeter Ablehnung einer angebotenen Arbeitsgelegenheit nur Anspruch auf Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1. Die letztgenannte Vorschrift sieht eine erhebliche Leistungseinschränkung vor; die Betroffenen haben keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6.

Voraussetzung ist, dass der Leistungsberechtigte die Wahrnehmung des Angebots der Arbeitsgelegenheit ablehnt. Dies kann durch ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten geschehen. Nur eine Ablehnung ohne hinreichende Begründung ("unbegründete Ablehnung") kann zu der Sanktion führen. An dieser Stelle sind alle Umstände des Einzelfalles in eine Abwägung einzubeziehen.

 

Rz. 19

Als Sanktion ordnet Abs. 4 Satz 2 zwingend die Absenkung der Leistung auf die Sicherung des physischen Existenzminimums an. Der Behörde wird dabei kein Ermessen eingeräumt. § 14 Abs. 1 sieht allgemein die Befristung von Leistungseinschränkungen nach dem AsylbLG auf 6 Monate vor. Diese kann nach § 14 Abs. 2 verlängert werden. Nach herrschender Meinung ist diese Sanktion mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 5 Rz. 32; Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 5 Rz. 83; vgl. auch die Komm. zu § 1a Rz. 9).

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