Rz. 13

§ 71 Abs. 5 regelt, dass in Angelegenheiten des Sozialen Entschädigungsrechts (SER) und des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten wird. Es handelt sich dabei um eine Sondervorschrift im Rahmen der Regelungen des SGG zur Prozessfähigkeit der Beteiligten, die bestimmt, durch welche Organisationseinheit das Land gesetzlich vertreten werden muss, um in Angelegenheiten des SER oder des Schwerbehindertenrechts prozessfähig zu sein.

 

Rz. 14

Inhalt und Bedeutung der Vorschrift haben sich im Zusammenhang mit der "Verwaltungsmodernisierung" einzelner Bundesländer als problematisch erwiesen. Soweit die Auffassung vertreten wird, mit § 71 Abs. 5 sei den Ländern die Möglichkeit genommen, aus ihrer generellen Organisationsgewalt heraus eine andere Bestimmung über ihre Vertretung in Angelegenheiten des SER und des Schwerbehindertenrechts zu treffen (so Peters-Sautter-Wolff, SGG, § 71 Anm. 3), dürfte dieser Ansatz überholt sein. Die Sondervorschrift des § 71 Abs. 5 dient der Qualitätssicherung (BSG, Urteil v. 11.12.2008, B 9 VS 1/08 R, SozR 4-1100 Art. 85 Nr. 1 mit Anm. Kahlert, SGb 2010, 115; LSG NRW, Vorlagebeschluss v. 3.9.2008, L 10 VG 20/03, juris; Urteil v. 5.3.2008, L 10 V 9/05; juris; LSG Thüringen, Urteil v. 26.6.2008, L 5 VH 1055/06, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 19.2.2004, L 7 [5] SB 8/02, juris). Ohne diese Regelung wären die Länder auch in Angelegenheiten des SER und des Schwerbehindertenrechts schon nach Abs. 3 der Vorschrift prozessfähig. Der Gesetzgeber hat indessen in SER-Angelegenheiten seit jeher die Vertretung des Landes durch eine dafür besonders geeignete Stelle für erforderlich gehalten und deshalb die Prozessfähigkeit hiervon abhängig gemacht (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 19.2.2004, L 7 [5] SB 8/02). Soweit die Auffassung vertreten wird, § 71 Abs. 5 betreffe eine Frage der Verwaltungsorganisation (so Stellungnahme der Bundesregierung zum Entwurf einer Verwaltungsprozessordnung in BT-Drucks. 10/3437, S. 95) oder sei ein Instrument zur Koordination der Versorgungsverwaltung der einzelnen Länder (LSG Bremen, Urteil v. 24.8.1954, Son 1/54, Breithaupt 1954, 985, 989), ist dem nicht zu folgen. Die Vorschrift zwingt die Länder nicht, ihre bisherigen Verwaltungsstrukturen im Bereich des SER beizubehalten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 19.2.2004, L 7 [5] SB 8/02). Die Gesetzesentwicklung zeigt, dass diese prozessuale Norm Änderungen der Verwaltungsstruktur nicht behindern will, sondern diesen vielmehr angepasst wird. So hat der Bundesgesetzgeber in der Folge des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in NRW v. 9.5.2000, mit dem das dortige Landesversorgungsamt zum 1.1.2001 aufgelöst und dessen Aufgaben der Bezirksregierung Münster übertragen wurden, auf die vom LSG NRW in den Urteilen v. 31.1.2001 (L 10 VS 28/00, MedR 2003, 469, nachgehend BSG, Urteil v. 10.12.2003, B 9 VS 1/01 R, SozR 4-3100 § 18 Nr. 1), 16.5.2001 (L 10 V 45/00, juris) und 14.3.2001 (L 10 SB 86/00, ASR 2001, 102) hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Landes NRW geäußerten Bedenken reagiert. Durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144 ff.) ist § 71 Abs. 5 mit Wirkung v. 2.1.2002 dahin geändert worden, dass neben dem zuvor bereits vertretungsberechtigten Landesversorgungsamt ersatzweise auch "die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind" vertretungsberechtigt ist. Nach der Begründung des Änderungsvorschlags durch den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung handelte es sich dabei um eine Klarstellung im Hinblick auf spezielle Verhältnisse in einzelnen Ländern, beispielsweise Nordrhein-Westfalen (vgl. BT-Drucks. 14/6635 S. 32). Das Problem der ordnungsgemäßen Vertretung des Landes NRW durch die Bezirksregierung stellt sich damit nicht mehr (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 7.11.2001, B 9 SB 1/01 R sowie BSG, Urteil v. 12.6.2001, SozR 3-3100 § 5 Nr. 9). Zu den Folgeproblemen infolge Auflösung der Versorgungsverwaltung vgl. LSG NRW, Vorlagebeschluss v. 3.9.2008 (L 10 VG 20/03, juris, anhängig beim BVerfG zum Az. 2 BvL 20/08).

 

Rz. 15

Die auf Initiative des AuS-Ausschusses vorgenommene Änderung des § 71 Abs. 5 durch Art. 8 Nr. 4a des 4. Gesetzes zur Änderung des GSB IV und anderer Gesetze (s. oben Rn. 1) beruht auf folgenden Erwägungen (BT-Drucks. 17/7991, S. 17):

„Mit der Änderung wird den veränderten Verwaltungsstrukturen in der Versorgungsverwaltung in den Bundesländern Rechnung getragen. Hintergrund ist, dass die Regelung an eine Verwaltungsstruktur anknüpft, die so nicht mehr in jedem Bundesland besteht. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es bereits seit dem Jahr 2000 kein Landesversorgungsamt mehr. Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2007 wurden auch die übrigen Verwaltungsstrukturen verändert mit der Folge, dass auch keine Stellen mehr bestehen, denen die Aufgaben des Landesversorgungsamtes übertragen worde...

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