2.1 Revisionen

 

Rz. 2

Die primäre Aufgabe des Bundessozialgerichts besteht darin, über Revisionen gegen Urteile der Landessozialgerichte (auch in den Fällen, in denen die Landessozialgerichte gemäß § 29 erstinstanzlich entscheiden) und Sprungrevisionen gegen Urteile der Sozialgerichte zu entscheiden. In beiden Fällen besteht nur dann die Möglichkeit das Bundessozialgericht anzurufen, wenn die Revision vom Instanzgericht (oder dem Bundessozialgericht) zugelassen worden ist. Die Einführung der Zulassungsrevision erfolgte, um eine notwendige Entlastung des Bundessozialgerichts zu erreichen und es damit in die Lage zu versetzen, seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren, effektiv gerecht zu werden (Rohwer/Kahlmann, SGG, § 39 Rz. 1; Bley, in: GK-SGG, § 39 Anm. 2a). Das Rechtsmittel der Revision unterscheidet sich von anderen Rechtsbehelfen insoweit, als in diesem Verfahren allein eine Rechtsprüfung erfolgt auf der Basis der von den Instanzgerichten festgestellten Tatsachen; eine Tatsachenermittlung darf vom Revisionsgericht nicht vorgenommen werden. Soweit eine (weitere) Tatsachenermittlung erforderlich ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz (zur Tatsachenfeststellung) zurückzuverweisen.

2.2 Beschwerden

 

Rz. 3

Das Bundessozialgericht ist in einem begrenzten Maße auch für die Entscheidung von Beschwerden zuständig. Aufgrund der generellen Unanfechtbarkeit der Beschlüsse der Landessozialgerichte (§ 177) ist das Bundessozialgericht nur in den folgenden gesetzlich normierten Ausnahmefällen zuständig: Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a); Beschwerde gegen Entscheidungen bei Rechtshilfeangelegenheiten (§ 5 Abs. 3 i. V. m. § 159 GVG); Beschwerde gegen die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegenüber ehrenamtlichen Richtern beim Bundessozialgericht (§§ 47, 21); Beschwerde gegen eine Rechtswegentscheidung des Landessozialgerichts, soweit sie zugelassen worden ist (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG) und Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse der Landessozialgerichte nach § 202 Satz 3 i. V. m. §§ 63 ff. GWB.

2.3 Erstinstanzliche Zuständigkeit

 

Rz. 4

Gemäß § 39 Abs. 2 kann das Bundessozialgericht auch als erstinstanzliches (und gleichzeitig letztinstanzliches) Gericht zuständig sein. Diese Regelung hat Ausnahmecharakter und ist deshalb eng auszulegen (BVerwG, Urteil v. 30.7.1976, IV A 1.75). Oberste Gerichtshöfe müssen zwar im Wesentlichen Rechtsmittelgerichte sein, jedoch ist eine (auch) erstinstanzliche Zuständigkeit verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Urteil v. 10.6.1958, 2 BvG 1/56). Danach ist das Bundessozialgericht erstinstanzlich zuständig für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern (nicht bei einem Streit zwischen Kommunen und Bund: BSG, Urteil v. 2.7.2013, B 4 AS 72/12 R) sowie verschiedenen Ländern, für die der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (Streitigkeiten anderer Körperschaften sind nicht betroffen). Jedoch nur soweit es sich um sog. Parteistreitigkeiten handelt, in denen sich die Beteiligten als gleichberechtigte Partner und nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen (vgl. für die Situation einer Anfechtungsklage: BVerwG, Urteil v. 30.7.1976, IV A 1.75, und auch BSG, Urteil v. 15.12.2009, B 1 AS 1/08 KL; BSG, Urteil v. 31.5.2016, B 1 AS 1/16). Das Bundessozialgericht muss dem BVerfG die Sache vorlegen, wenn es zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Das BVerfG entscheidet dann verbindlich entweder in der Sache oder durch Zurückverweisung an das BSG, wenn es die Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit seitens des Bundessozialgerichts nicht teilt.

 

Rz. 5

Die Regelung in § 39 Abs. 2 ist jedoch nicht abschließend, denn weitere Zuständigkeiten als erstinstanzliches Gericht ergeben sich für das Bundessozialgericht aus Bestimmungen in anderen Gesetzen. So ordnet § 88 Abs. 6 Satz 2 SVG die erstinstanzliche Zuständigkeit für Klagen von Personen (und deren Hinterbliebenen) an, die als Soldaten dem Bundesnachrichtendienst angehört haben; § 240 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX (früher § 71 Nr. 5 SchwbG) enthält eine entsprechende Regelung für Streitigkeiten nach dem SGB IX aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes; nach § 160 Abs. 6 S. 4 (früher § 146 Abs. 6 Satz 4 SGB III bzw. § 116 Abs. 6 Satz 4 AFG) entscheidet das Bundessozialgericht über Klagen der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien gegen den Neutralitätsausschuss. Gemäß § 160 Abs. 6 Satz 5 SGB III hat das BSG das Verfahren vorrangig zu erledigen, wodurch eine der Zielsetzungen der spezialgesetzlich angeordneten erstinstanzlichen Zuständigkeit des BSG deutlich wird. Es kann gemäß § 160 Abs. 6 Satz 2 SGB III auch eine einstweilige Anordnung erlassen. Gemäß § 202 Satz 2 i. V. m. § 201 Abs. 1 Satz 2 GVG ist das Bundessozialgericht auch zuständig für Klagen gegen den Bund auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens.

 

Rz. 6

Soweit das BSG erstinstanzlich zu...

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