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Auf Antrag ist einem mittellosen Beteiligten, unabhängig von der Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 191, und außerhalb der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Reisekostenvorschuss zu gewähren, wenn nur durch diesen Vorschuss die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sichergestellt werden kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 26.3.2010, L 12 AS 4668/08 m. w. N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 15.1.2013, 12 E 1224/12 m.w.N). Bei der richterlichen Entscheidung über die Gewährung eines Reisekostenvorschusses handelt es sich um einen Akt der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe (BGH, Beschluss v. 19.3.1975, IV AZR [VZ] 29/74; BFH, Beschluss v. 8.6.2006, VII B 323/05; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 21.3.2007, L 7 SO 258/07 NZB; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.1.2017, L 13 VE 73/16 B, wonach die Gerichtsverwaltung für die Entscheidung zuständig ist). Bei der Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Begehrens nicht zu berücksichtigen. Das Gericht ist im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände verpflichtet zu prüfen, ob die Anreise zum Termin auch bei einem bemittelten Beteiligten zur verständigen Wahrnehmung seiner Rechte notwendig ist, also eine bemittelte, vernünftig haushaltende Partei an einer kostenaufwändigen mündlichen Verhandlung teilnehmen würde (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 15.1.2013, 12 E 1224/12). Im Rahmen dieser Prüfung hat das Gericht die Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums der Justiz über die Gewährung von Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen, Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (VwV Reiseentschädigung) zu berücksichtigen. Die VwV Reiseentschädigung hat zwar keinen Rechtsnormcharakter, entfaltet aber unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Außenwirkung. Die Nichtentscheidung über einen rechtzeitigen Antrag auf Reisekostenübernahme zur Teilnahme eines mittellosen Klägers an der mündlichen Verhandlung ist ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (BSG, Beschlüsse v. 4.3.2021, B 4 AS 308/20 B, und v. 22.7.2021, B 14 AS 95/20 BH).

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