Rz. 3

§ 180 Abs. 1 regelt den Zuständigkeitskonflikt mehrerer Versicherungsträger. Unter Versicherungsträger i. S. v. § 180 Abs. 1 sind die Sozialversicherungsträger, einschließlich der Bundesagentur für Arbeit, zu verstehen. Nach § 180 Abs. 2 gilt das Verfahren nach § 180 auch in einem Zuständigkeitskonflikt zwischen Sozialversicherungsträgern und einem Land, wenn das Land als Träger des sozialen Entschädigungsrechts in Anspruch genommen wird. § 180 Abs. 1 trifft nach seinem Wortlaut keine Regelung hinsichtlich eines Zuständigkeitskonflikts, an dem ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder ein kommunaler Träger beteiligt ist. Im Gegensatz zu der Vorschrift des § 75 Abs. 5 SGG hat es der Gesetzgeber unterlassen, andere Träger als Versicherungsträger oder ein Land in das besondere Wiederaufnahmeverfahren nach §§ 180, 181 miteinzubeziehen. In der Rechtsprechung wird zumindest in Verfahren nach § 86b eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 180, 181 diskutiert (bejahend: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 12.2.2010, L 1 SO 84/09 B ER; ablehnend für Klageverfahren: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 27.8.2009, L 8 SO 149/07 und Urteil v. 28.1.2016, L 8 SO 385/12).

2.1.1 Positiver Konflikt (Doppelanerkennung), § 180 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Rz. 4

Eine Wiederaufnahme ist nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 zulässig, wenn mehrere Versicherungsträger oder ein oder mehrere Versicherungsträger und ein Land als Träger des sozialen Entschädigungsrechts denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs zur Leistung verurteilt worden sind.

Entscheidungen i. S. v. § 180 Abs. 1 Nr. 1 sind eine rechtskräftige Verurteilung zur Leistung und/oder ein bindender Verwaltungsakt. Eine rechtskräftige Verurteilung (§ 141) setzt eine Entscheidung in der Sache voraus. Nach § 180 Abs. 1 ist ein bindender Verwaltungsakt einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt, wenn durch ihn die Leistung endgültig anerkannt worden ist. Ein Verwaltungsakt über die Gewährung einer vorläufigen Leistung stellt keine Entscheidung i. S. v. § 180 Abs. 1 Nr. 1 dar (BSG, Urteil v. 28.11.1961, 2 RU 76/59). Die Entscheidungen müssen denselben Anspruch betreffen. Der Anspruch muss nicht auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen, es genügt, wenn ein bestimmter Schaden (Gesundheitsstörung) alternativ auf verschiedene tatsächliche Vorgänge zurückzuführen ist (BSG, Urteil v. 28.9.1972, 7 RU 20/70). Der Anspruch kann sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen herleiten, dem Berechtigten darf aber nur ein Anspruch zustehen.

Ein positiver Konflikt liegt in folgenden Fällen vor:

  • zwei oder mehrere Versicherungsträger bzw. ein oder mehrere Versicherungsträger und ein Land haben sich durch Verwaltungsakt endgültig verpflichtet, denselben Anspruch zu erfüllen;
  • ein Versicherungsträger oder ein Land hat die Leistung durch Verwaltungsakt bindend anerkannt, ein anderer Leistungsträger/oder ein Land ist zur Leistung rechtskräftig verurteilt worden;
  • zwei oder mehrere Versicherungsträger bzw. ein oder mehrere Versicherungsträger und ein Land sind zur Erfüllung desselben Anspruchs rechtskräftig verurteilt worden, obwohl der Berechtigte die Leistung nur einmal fordern darf.

2.1.2 Negativer Konflikt, § 180 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Rz. 5

Bei einem negativen Konflikt müssen zwei oder mehrere Versicherungsträger oder ein oder mehrere Versicherungsträger und ein Land als Träger des sozialen Entschädigungsrechts jeweils unter Hinweis auf die Leistungspflicht des anderen denselben Anspruch durch Verwaltungsakt abgelehnt haben oder eine entsprechende Leistungsklage ist rechtskräftig abgewiesen worden, weil der andere Leistungsträger verpflichtet sei (BSG, Urteil v. 7.3.1979, 9 S 3/78).

 

Rz. 6

Das abweisende Urteil muss rechtskräftig, der ablehnende Verwaltungsakt muss unanfechtbar sein. Aus den Begründungen der Entscheidungen (Urteil/Verwaltungsakt) muss sich ergeben, dass der Anspruch des Berechtigten wegen fehlender Zuständigkeit des in Anspruch genommenen Versicherungsträgers oder des Landes verneint wird. Wird die Ablehnung des Anspruchs auf andere Gründe als die fehlende Passivlegitimation gestützt, steht dem Berechtigten nur der Weg des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X offen.

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