1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Änderungsgesetz v. 30.7.1974 (BGBl. I S. 1625) eingeführt worden. Die Zulassungsrevision im SGG hat sich bewährt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hat eine erhebliche "Festigkeit"; dennoch kann sie unter besonderen Voraussetzungen angegriffen und ggf. beseitigt werden. Das LSG ist damit keine "Durchlaufstation", muss aber stets damit rechnen, dass das BSG auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin seine Entscheidung überprüft. Die Nichtzulassungsbeschwerde realisiert die Leitbildfunktion des Revisionsgerichts im System der Zulassungsrevision. Sie gewährleistet die Vereinheitlichung der Zulassungspraxis der Berufungsgerichte und eine Kontrolle durch das Revisionsgericht, trägt mithin dazu bei, eine einheitliche Rechtsanwendung zu sichern.

Durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) ist § 160a Abs. 4 Satz 2 (jetzt Satz 1) mit Wirkung zum 2.1.2002 geändert worden. Diese Änderung soll sicherstellen, dass die Beschwerde, mit der die Nichtzulassung der Revision angefochten wird, hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen und Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nicht anderen Anforderungen unterliegt, als sie für die Revision selbst gelten (BT-Drs. 14/5943 S. 27). Ferner ist durch das 6. SGGÄndG – gleichermaßen mit Wirkung zum 2.1.2002 – ein Abs. 5 angefügt worden. Diese Ergänzung bezweckt in Anlehnung an § 133 Abs. 4 VwGO, die Einleitung eines Revisionsverfahrens in Fällen zu vermeiden, in denen von vornherein feststeht, dass dieses ohnehin nur zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtstreits an die Vorinstanz führen kann (BT-Drs. 14/5943 S. 27).

Durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) v. 31.3.2008 (BGBl. I S. 444 ff.) wurde mit Wirkung zum 1.4.2008 Abs. 4 Satz 1 gestrichen. Dabei handelt es sich um eine Folgeänderung wegen der Aufhebung des Abhilfeverfahrens (§ 174 a. F.).

 

Rz. 2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Rechtsmittel (vgl. Zeihe, § 160a Rn. 3b; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 160a Rz. 2). Sie hat Devolutiveffekt, weil über die Beschwerde das BSG entscheidet. Sie hat auch Suspensiveffekt, denn das Einlegen der Beschwerde hemmt die Rechtskraft (§ 160a Abs. 3).

2 Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde

 

Rz. 3

Statthaft ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen revisible Urteile des LSG, nicht jedoch gegen das eine Sprungrevision versagende Urteil des SG (§ 161 Abs. 2 Satz 3). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ferner nicht statthaft, wenn die Entscheidung des LSG der Art nach nicht revisibel ist (vgl. auch BVerwG, NJW 2002 S. 2262 f., zur Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung eines VG). Das ist z. B. der Fall bei einem unselbständigen Zwischenurteil (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 130) oder einer Verweisungsentscheidung (vgl. BSG, Urteil v. 6.11.2002, B 6 KA 39/01 R; BSG, Urteil v. 16.6.1999, B 9 V 24/98 R). Eine unselbständige Anschluss-Nichtzulassungsbeschwerde ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht statthaft (vgl. BSG, Beschluss v. 21.2.1991, 6 BKa 40/90; BSG, Beschluss v. 23.1.1989, 2 BU 152/88). Dringt der Beschwerdeführer mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde durch, so bedarf es keiner Anschlussbeschwerde, um dem Beschwerdegegner das Rechtsmittel der Revision oder der Anschlussrevision zu eröffnen. Wird dagegen die Beschwerde als unzulässig verworfen, auf die selbständige Anschlussbeschwerde jedoch die Revision zugelassen, so kann sie auch vom Beschwerdeführer der unzulässigen Beschwerde eingelegt werden. Hieraus folgt, dass auch ohne die unselbständige Anschlussbeschwerde die Rechte eines Prozessbeteiligten auf Einlegung eines Rechtsmittels nicht in unzulässiger Weise verkürzt werden (vgl. BSG, Urteil v. 21.2.1991, 6 BKa 40/90, a. a. O.).

3 Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde

 

Rz. 4

Die nach § 160a statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, wenn Form und Frist gewahrt sind und die Prozessvoraussetzungen einschließlich Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer vorliegen.

 

Rz. 5

Die Beschwerde ist beim BSG einzulegen (§ 160a Abs. 1 Satz 2). Eine Abhilfe durch das LSG ist nicht möglich (anders § 133 Abs. 5 VwGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schriftlich einzulegen, also mit einem unterzeichneten Schriftsatz (vgl. BSG, Beschluss v. 5.11.1998, B 2 U 260/98 B; BSG, Beschluss v. 24.2.1992, 7 BAr 86/91; zur Schriftform vgl. die Komm. zu § 151). Die Nichtzulassungsbeschwerde muss nicht ausdrücklich als solche benannt sein. Mittels herkömmlicher Auslegungskriterien muss allerdings hinreichend erkennbar sein, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gewollt ist. Wird Revision eingelegt, kann diese nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (vgl. BSG, NZS 1997 S. 388). Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall.

 

Rz. 6

Die Beschwerdefrist beträgt nach § 160a Abs. 1 Satz 2 einen Monat seit Zustellung des vollständigen Urteils an den Beschwerdeführer (Einlegungsfrist). Bei mehreren Prozessbevollmächtigten ist die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung gegenüber jedem von ihnen wirksa...

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