1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 145 in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung ist durch Art. 8 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) zum 1.3.1993 in Kraft getreten und durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2150) mit Wirkung zum 2.1.2002 erheblich geändert worden. Ziel war eine weitere Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der ersten Instanz. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist seither unmittelbar bei dem LSG einzulegen. Durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) hat § 145 mit Wirkung zum 1.1.2008 eine weitere Änderung erfahren. Hierdurch ist als Folgeänderung zu § 174 SGG (Streichung des Abhilfeverfahrens) § 145 Abs. 4 Satz 1 aufgehoben worden.

 

Rz. 1a

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist darauf gerichtet, Rechtsschutz im Berufungsrechtszug zu eröffnen. Sie ist als Rechtsmittel mit Devolutiv- und Suspensiveffekt versehen. Es gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen über das Beschwerdeverfahren (§§ 172 ff. SGG) soweit sich aus § 145 nichts Abweichendes ergibt. Eine unselbständige Anschlussbeschwerde kann nicht eingelegt werden (Zeihe, SGG, 11/2010, § 145 Rn. 3b). Sind mehrere selbständige Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits, kann hinsichtlich eines Anspruchs die Berufung (ggf. nach Zulassung) und hinsichtlich des anderen Anspruchs die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein (vgl. LSG NRW, Urteil v. 28.2.2001, L 10 SB 50/00).

 

Rz. 1b

Nach der Gesetzesbegründung zum 6. SGGÄndG soll es der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der ersten Instanz dienen, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr nur noch beim LSG eingelegt werden darf. Der zeit- und arbeitsaufwendige Umweg über die Sozialgerichte sei entbehrlich, da nur in wenigen Fällen der Beschwerde abgeholfen werde (Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum 6. SGGÄndG, BT-Drs. 14/5943). Diese Begründung ist verfehlt. Sie trägt die Gesetzesänderung nicht. Zutreffend dürfte zwar die Erkenntnis sein, dass die Sozialgerichte auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin eher selten abhelfen. Dies gilt jedoch nicht nur für diese Beschwerdeart, sondern für alle Beschwerden. Demgemäß hätte der Gesetzgeber mit dieser Begründung das Abhilfeverfahren (§ 174 SGG) konsequenterweise durchgängig eliminieren müssen. Das ist nunmehr durch das SGGArbGGÄndG vom 26.3.2008 folgerichtig geschehen.

2 Rechtspraxis

2.1 Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (Abs. 1)

2.1.1 Form

 

Rz. 2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen. Die Schriftform ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde telegrafisch, fernschriftlich oder durch Telekopie eingelegt wird. Soweit das BSG meint, auf § 126 BGB könne angesichts der Eigenständigkeit des Prozessrechts zur Klärung der Frage, was unter "schriftlich" zu verstehen ist, nicht abgestellt werden (Urteil v. 21.6.2001, B 13 RJ 5/01 R; Urteil v. 16.11.2000, B 13 RJ 3/99 R, NJW 2001 S. 2492), mag dem im Grundsatz zugestimmt werden können. Indessen ändert dies nichts daran, dass wegen des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung zunächst von § 126 BGB ausgegangen werden muss. Nach § 126 Abs. 1 BGB gilt: Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

 

Rz. 2a

Die Schriftform ist daher grundsätzlich nur gewahrt, wenn die Klage eigenhändig unterzeichnet wurde (BFH, Beschluss v. 17.3.2005, VIII B 320/03; Beschluss v. 10.7.2002, VII B 6/02, BFH/NV 2002 S. 1597). Im Übrigen aber sind unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 145 Abs. 1 (bzw. § 151 SGG) eine Reihe von Ausnahmen möglich. Schriftlichkeit kann auch ohne eigenhändige Namensunterschrift angenommen werden, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen ergibt. Solche Umstände sind z. B. die im Schreiben zum Ausdruck kommende Sachkenntnis oder die Nutzung eines Anwaltsbriefbogens mit maschinenschriftlichem Namenszug (BVerwG, Urteil v. 6.12.1988, 9 C 40/87, NJW 1989 S. 1175; LSG NRW, Urteil v. 10.4.2000, L 10 B 1/00 VG; LSG NRW, Urteil v. 25.6.2003, L 11 KA 243/01). Zweck des Schriftformerfordernisses ist es, dass die Unterschrift den Urheber erkennen lässt und gewährleistet ist, dass das Schriftstück nicht nur als Entwurf, sondern mit Wissen und Wollen des Verfassers bei Gericht eingeht (hierzu BSG, Urteil v. 16.11.2000, B 13 RJ 3/99 R, NJW 2001 S. 2492). Dem wird Rechnung getragen, wenn sich genau dies aus anderen Umständen hinreichend sicher ergibt, andernfalls das Schriftformerfordernis zu einem formalistischen Selbstzweck denaturieren würde (LSG NRW, Urteil v. 10.4.2000, L 10 B 1/00 VG).

Schriftform ist ferner gewahrt, wenn die Beschwerde mittels Computerfax, telegrafisch bzw. fernschriftlich bzw. durch Telefax eingelegt wird (GmSOGB, Beschluss v. 5.4.2000, GmS-OGB 1/98, NJW 2000 S. 2340; hierzu Wirges, AnwBl. 2002 S. 88; krit. Düwell, NJW 2000 S. 3334; Schwachheim, NJW 1999 S. ...

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