1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen den Regelungen in anderen Verfahrensordnungen (§ 319 ZPO; § 118 VwGO). Sie lässt – ebenso wie die §§ 139, 140 – bestimmte Ausnahmen von dem Grundsatz zu, dass das Gericht an seine Urteile gebunden ist (Abänderungs- und Abweichungsverbot, vgl. bei Vollkommer, in: Zöller, § 318 Rn. 10). Die Möglichkeit zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten dient der Verfahrensökonomie, sie schließt die Einlegung eines Rechtsmittels mit dem Ziel der Fehlerbeseitigung i. d. R. nicht aus (siehe aber auch unten Rn. 6). Durch Art. 4 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG -) v. 22.3.2005 (BGBl. I S. 837 ) wurden zum 1.4.2005 die Sätze 3 und 4 angefügt (dazu unten Rn. 4 sowie bei § 137 und § 65a).

2 Rechtspraxis

2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

§ 138 Abs. 1 nennt zwar nur das Urteil, die Vorschrift ist aber auch auf den Gerichtsbescheid (§ 105) und gemäß § 142 auch auf Beschlüsse anwendbar, soweit diese nicht ohnehin wie Verfügungen frei abänderbar sind, weil sie nicht der Bindung nach § 318 ZPO (i. V. m. § 202 SGG) unterliegen. Das Protokoll wird nicht nach § 138 berichtigt, sondern gemäß § 122 SGG i. V. m. § 164 ZPO von Richter und Urkundsbeamten gemeinsam (§ 164 Abs. 3 ZPO). Ein protokollierter gerichtlicher Vergleich (§ 101) kann nur durch eine Berichtigung der Niederschrift (§ 202 SGG i. V. m. § 164 ZPO) berichtigt werden (so für § 106 Satz 1 VwGO Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 118 Rn. 37; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 118 Rn. 2; wie hier Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl., § 138 Rn. 2; a. A. BayLSG, Beschluss v. 29.9.2008, L 13 B 659/08 B unter Bezugnahme auf Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl., § 138 Rn. 2). Seit dem Inkrafttreten des § 38 SGB X ist § 138 nicht mehr (entsprechend) auf Verwaltungsakte anwendbar (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 38 Nr. 1).

 

Rz. 3

Gemeint ist in § 138 stets die Unrichtigkeit im Original, also in der Urschrift. Weicht die Ausfertigung – z. B. durch fehlerhafte Übertragung – von der Urschrift ab, wird sie durch den Urkundsbeamten analog § 138 (vgl. Rn. 3 zu § 137 und Zeihe, § 137 Rn. 5b; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 138 Rn. 2) bzw. gemäß § 317 ZPO (Kopp/Schenke, § 118 Rn. 4) oder formlos (Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 118 Rn. 2) berichtigt.

2.2 Unrichtigkeit

2.2.1 Begriff

 

Rz. 4

Bei der Unrichtigkeit darf es sich nicht um einen auf einer unrichtigen Tatsachenwertung oder auf einem Rechtsirrtum beruhenden Fehler in der Willensbildung des Gerichts handeln (ausführlich dazu BGH, Urteil v. 10.3.1983, III ZR 135/82, BGHZ 127 S. 74, 76). Denn die Berichtigung ist kein Mittel zur Änderung einer nachträglich als unrichtig erkannten Entscheidung (BSG, SozR 1500 § 164 Nr. 33). Eine Berichtigung nach § 138 kann nur dazu führen, dass der Inhalt des Urteils an den offenkundigen Erklärungswillen des Gerichts angepasst wird (vgl. BFH, Beschluss v. 6.10.2010, I R 12/09). Berichtigungsfähig sind daher ausschließlich die einem "mechanischen Versehen" gleich zu erachtenden Erklärungsmängel oder Fehler im Ausdruck des Willens, die zu dem Erklärungswillen erkennbar in Widerspruch stehen (vgl. BSGE 15 S. 96, 98; BSGE 24 S. 203, 204; BSGE 46 S. 34, 39; BSGE 49 S. 51, 54). Das Gesetz selbst nennt als Fallbeispiele Schreibfehler und Rechenfehler. Das heißt indes einerseits nicht, dass jeder Schreibfehler (etwa ein bloßer "Buchstabendreher") in einem Urteil notwendig zu berichtigen wäre. Denn der mit der Berichtigung nach § 138 für alle Beteiligten verbundene Aufwand lässt ohne weiteres erkennen, dass sich die Berichtigung auf solche Urteile beschränken soll, die Schreibfehler aufweisen, die für die Auslegung des Urteils von Bedeutung sein können, weil sie die Gefahr von Missverständnissen in sich bergen (vgl. auch Zeihe, § 138 Rn. 1c). Andererseits ist die Vorschrift schon aus prozesswirtschaftlichen Gründen weit auszulegen, zumal ihre Anwendung in der Sache den besseren Richterspruch bringt (vgl. zu § 319 ZPO BGH, Urteil v. 12.1.1984, III ZR 95/82). Sie lässt sich insbesondere nicht auf bloße Formulierungsfehler beschränken. Bereits nach ihrem Wortlaut betrifft sie nicht nur die ausdrücklich genannten Schreib- und Rechenfehler, sondern erstreckt sich auch auf "ähnliche offenbare Unrichtigkeiten". Selbst die wörtlich aufgeführten Rechenfehler gehen meist nicht nur auf bloße Formulierungsfehler zurück (Stein/Jonas/Leipold, § 319 Rn. 5). Eine scharfe Grenze zwischen bloßen Versehen bei der Formulierung und anderen offenbaren Irrtümern, die dem Richter vorher bei der Urteilsfindung unterlaufen sind, lässt sich schon deshalb nicht ziehen, weil sich diese nicht in der Formulierung der Entscheidung erschöpft (vgl. BGH, Urteil v. 12.1.1984, III ZR 95/82).

2.2.2 Offensichtlichkeit ("offenbar")

 

Rz. 5

Die Berichtigung einer Unrichtigkeit kommt nach § 138 nur in Betracht, wenn sie offenbar ist. Eine Unrichtigkeit ist offenbar, wenn die Unrichtigkeit sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündun...

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