3.2.1 Anwendbarkeit

 

Rz. 20

Das SGGArbGGÄndG v. 26.3.2008 enthält keine Übergangsregelung. Die Vorschrift ist deshalb ab 1.4.2008 anwendbar (Art. 5 des Gesetzes). Ihre Stellung im Abschnitt "Gemeinsame Verfahrensvorschriften" spricht dafür, dass sie Geltung für alle Instanzen hat (für das Berufungsverfahren siehe § 153 Abs. 1; dem steht nicht entgegen, dass das SGGArbGGÄndG keine ausdrückliche Regelung wie § 540 Abs. 2 ZPO enthält). Allerdings existiert gegen Urteile des BSG kein Rechtsmittel, so dass ein echter Rechtsmittelverzicht von vornherein nicht in Betracht kommt (zum Rechtsmittelverzicht, wenn die Beschwer für eine Berufung nicht gegeben ist, siehe unten Rn. 22). Der gegenüber dem BSG erklärte Rechtsmittelverzicht hätte also stets lediglich die Bedeutung eines Verzichts auf Tatbestand und Entscheidungsgründe. Der Frage wird keine große praktische Bedeutung zukommnen, weil der Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe kaum den Aufgaben eines Revisionsgerichts gerecht werden würde und es dann, wenn nahezu identische Parallelfälle in ein und derselben mündlichen Verhandlung verhandelt worden sind, es guter Übung entsprechen dürfte, dem Ergebnis des Parallelverfahrens z. B. durch Rücknahme oder Anerkenntnis Rechnung zu tragen.

3.2.2 Voraussetzungen

3.2.2.1 "Stuhlurteil"

 

Rz. 21

Aus der von § 313a Abs. 2 Satz 1 ZPO übernommenen Formulierung der Vorschrift ergibt sich zunächst, dass ein Urteil nach Abs. 4 nur dann in Betracht kommt, wenn das Gericht sein Urteil noch in demselben Termin verkündet hat, in dem es die mündliche Verhandlung geschlossen hat (sog. "Stuhlurteil" i. S. d. § 310 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO). Erfasst werden auch Fälle der "Verkündung der Entscheidung am Schluss der Sitzung" (vgl. z. B. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, § 313a Rn. 13).

3.2.2.2 Rechtsmittelverzicht

 

Rz. 22

Der Verzicht auf Rechtsmittel ist eine auslegungsfähige Prozesshandlung, die nicht widerrufbar und bedingungsfeindlich ist. Innerprozessuale Bedingungen, z. B. Verzicht für den Fall des Obsiegens, werden im Rahmen des § 313a Abs. 2 ZPO aber zugelassen (vgl. z. B. Saenger, in: Hk-ZPO, § 313a Rn. 8). Ein Schriftformerfordernis besteht nicht. Wenn der Rechtsmittelverzicht in der mündlichen Verhandlung erklärt wird, ist er zu Protokoll zu nehmen. Für die Auslegung einer Erklärung als Rechtsmittelverzicht ist Zurückhaltung geboten. Hier gelten wegen der Unwiderruflichkeit und Unanfechtbarkeit einer solchen Erklärung strenge Anforderungen (vgl. BGH, Urteil v. 28.3.1989, VI ZR 246/88, a. a. O.; BGH, Beschluss v. 7.11.1989, VI ZB 25/89, a. a. O.; BGH, NJW 1994 S. 942; BGH, NJW 1974 S. 1248, 1249). Zwar ist nicht erforderlich, dass ausdrücklich von einem Verzicht die Rede ist. Jedoch ist unabhängig von der Wortwahl ein Rechtsmittelverzicht nur dann anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die Entscheidung endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. BGH, Beschluss v. 5.9.2006, VI ZR 65/05; BGH, Urteil v. 12.3.2002, VI ZR 379/01, VersR 2002 S. 1125; BGH, VersR 1989 S. 602 f.; BGH, NJW 1985 S. 2335).

Abs. 4 verlangt, dass "Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte" auf Rechtsmittel verzichten. Durch die kumulative Nennung der Beteiligten allein wird noch nicht klar, ob alle Beteiligten verzichten müssen oder ob der Verzicht des durch das Urteil Beschwerten genügt. Nicht eindeutig ist insoweit die Bedeutung der Rechtsmittelberechtigung in Abs. 4. Die Formulierung "sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte" (nicht: "rechtsmittelberechtigte sonstige Beteiligte") legt zunächst nahe, dass es bei jedem Beteiligten (nach § 69 sind das Kläger, Beklagter und Beigeladener und ggf. deren Rechtsnachfolger), also nicht nur den "sonstigen Beteiligten", sondern auch bei Kläger und Beklagtem über den Beteiligtenstatus zusätzlich auf die Rechtsmittelberechtigung ankommen soll. Damit könnte die Frage der konkreten Beschwer durch das Urteil angesprochen sein. Das wiederum würde bedeuten, dass nur der Verzicht des oder der durch das Urteil beschwerten Beteiligten erforderlich wäre. Das würde der Situation im Zivilprozess entsprechen. Dort genügt es nach der ausdrücklichen Regelung des § 313a Abs. 2 Satz 2 ZPO, wenn das Urteil nur für eine Partei anfechtbar ist, wenn diese verzichtet. Damit schwer vereinbar wäre aber die kumulative Nennung der Beteiligten in § 136 Abs. 4. Vor allem aber sollte daraus, dass eine § 313a Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechende Regelung nicht in § 136 Abs. 4 übernommen worden ist, zu schließen sein, dass es im Rahmen des § 136 Abs. 4 nicht ausreicht, wenn nur der durch das Urteil beschwerte Beteiligte verzichtet. In jedem Falle müssen daher Kläger und Beklagter verzichtet haben (a. A. hinsichtlich des voll obsiegenden Klägers Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, § 136 Rn. 24 unter Hinweis auf LAG Köln, Urteil v. 8.4.2005, 4 Sa 828/04, NZA 2006 S. 878. Anders als § 69 Abs. 4 Satz 2 2. HS ArbGG, auf den sich das LAG gestützt hat, verweist jedoch § 136 Abs. 4 SGG nicht auf § 313a Abs. 2 ZPO, dessen Satz 2 lautet: "Ist das Urteil nur fü...

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