1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit Wirkung v. 1.4.2008 durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) eingeführt worden.

Sie schließt an § 103 Satz 1 HS 2 an, wonach die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhaltes heranzuziehen sind, und verschafft dem Gericht mit seinen Absätzen 1 und 2 Mittel, seine nach § 106 Abs. 1 bestehende Hinwirkenspflicht sachgerecht und zügig zu erfüllen. Mit Abs. 3 hat der Gesetzgeber nunmehr auch für das sozialgerichtliche Verfahren Präklusionstatbestände geschaffen. Mit ihnen soll erreicht werden, dass Beteiligte, die nach eindeutiger und ausdrücklicher Aufforderung des Gerichts nicht das ihnen Mögliche und Zumutbare dazu beitragen, den Prozess zu fördern, die Zurückweisung des angeforderten Vorbringens zu einem späteren Zeitpunkt riskieren (BT-Drs. 16/7716).

§ 106a entspricht im Wesentlichen der Vorschrift des § 87b VwGO. Er ist grundsätzlich auch auf Verfahren anzuwenden, die zum 1.4.2008 bereits anhängig gewesen sind (vgl. im Einzelnen Rz. 12 zu § 157a).

2 Rechtspraxis

2.1 Fristsetzung zur Angabe von Tatsachen oder Vornahme bestimmter Handlungen

 

Rz. 2

Absatz 1 und Abs. 2 verdeutlichen im Zusammenwirken mit Vorschriften wie § 92, § 103 Satz 1 HS 2, § 106 Abs. 1 und § 112 Abs. 2 Satz 2, dass die Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens eine Prozessförderungspflicht (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 17.11.1987, 5b RJ 44/87, juris; BSG, Beschluss v. 15.8.2007, B 12 P 2/07 B, juris) haben. Die Beteiligten dürfen sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht dem Untersuchungsgrundsatz des § 103 entsprechend den Sachverhalt aufklärt, ohne sie an diesem Vorgang zu beteiligen. Das Gericht ist in vielen Fällen überhaupt nicht in der Lage, ohne die Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten prozessfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt insbesondere für Tatsachen, die in der Sphäre eines der Beteiligten angesiedelt sind, hinsichtlich derer das Gericht mithin naturgemäß nicht denselben Kenntnisstand haben kann wie der betreffende Beteiligte selbst.

 

Rz. 3

Absatz 1 ermächtigt das Gericht entsprechend, dem Kläger eine Frist zu setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens ist dabei funktionell auszulegen. Er schließt das Vorverfahren i. S. d. §§ 78 ff. ein.

Absatz 1 ergänzt die Vorschrift des § 92 Satz 3, nach deren Maßgabe die Klage die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben soll. Der Gesetzgeber hat es verabsäumt, diese mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) sowieso novellierte Vorschrift (zuvor § 92 Satz 2) nunmehr als Mussvorschrift auszugestalten und so eine Harmonisierung mit dem hiesigen Abs. 1 herzustellen.

Absatz 1 wird seinem Normzweck entsprechend regelmäßig in einem frühen Verfahrensabschnitt Anwendung finden. Das Gericht kann den Kläger anhalten, die von ihm empfundene Beschwer mit der Angabe ganz bestimmter Tatsachen zu verbalisieren und zu rationalisieren. Auf Grundlage des ihm sodann unterbreiteten Prozessvortrages kann das Gericht entscheiden, ob es Ermittlungen durchführt, und, ggf., welche Ermittlungsschritte es geht.

Die Frist, die das Gericht nach Maßgabe von Abs. 1 setzt, muss den Kläger in die Lage versetzen, einen substantiierten Prozessvortrag zu unterbreiten. Sofern das Gericht – ausnahmsweise – bereits in diesem frühen Verfahrensstadium die Komplexität des zugrundeliegenden Sachverhalts oder die Schwierigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen zumindest im Groben einschätzen kann, ist die Frist danach zu bemessen. Individuelle Gegebenheiten wie etwa der Gesundheitszustand des Klägers sind, sofern bekannt, zu berücksichtigen.

Die Anordnung, mit der die Frist in Lauf gesetzt wird, ist nach § 63 Abs. 1 Satz 1 zuzustellen

 

Rz. 4

Absatz 2 normiert eine gegenüber Abs. 1 konkretere Verhaltenspflicht. Er wird im Regelfall in einem Verfahrensstadium Anwendung finden, in dem das Gericht sich bereits ein erstes Bild von dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt gemacht hat, indes zu bestimmten Vorgängen Angaben oder Unterlagen benötigt, um mögliche – weitere – Ermittlungen durchzuführen oder aber eine abschließende rechtliche Würdigung vorzunehmen.

Absatz 2 betrifft im Gegensatz zu Abs. 1 nicht allein den Kläger, sondern alle Beteiligten.

Nach Nr. 1 der Vorschrift kann die Angabe von Tatsachen oder die Bezeichnung von Beweismitteln verlangt werden. Über die bloße Bezeichnung hinaus geht Nr. 2, wenn dort normiert ist, dass hinsichtlich Urkunden oder anderer Beweismittel sogar die Vorlage bzw. hinsichtlich elektronischer Dokumente deren Übermittlung gefordert werden kann.

Unklar ist, vor welchem sinnhaften Hintergrund der Gesetzgeber die Befugnisse des Gerichts einschränkend von einer Pflicht des betreffenden Beteiligten zur Vorlage oder Übermittlung abhängig gemacht hat. Eigenständige öffentlich-rechtliche Pflichten, etwa bestimmte Urkunden oder bestimmte Gegenstände herauszug...

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