Rz. 27

Der außergerichtliche Vergleich ist im SGG nicht ausdrücklich geregelt. Er ist nicht Prozesshandlung wie der gerichtliche Vergleich, sondern ausschließlich Vertrag. Er hat aber insofern eine Doppelnatur, als er neben materiellen Wirkungen verwaltungsverfahrensrechtliche Wirkungen entfaltet.

Auf das Verfahren hat er keinen unmittelbaren Einfluss (BSG, Urteil v. 16.11.1961, 7/9 RV 866/59, SozR § 101 Nr. 4; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1980 S. 433). Der außergerichtliche Vergleich wirkt sich nur auf den Prozess aus, wenn er in den Prozess eingeführt wird. Dies kann geschehen durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten oder auch durch Klagerücknahme. Ist eine Beendigung des Verfahrens eingetreten, kommt die (rückwirkende) Gewährung von Prozesskostenhilfe nur noch unter besonderen Voraussetzungen in Betracht (vgl. Keller/Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 73a Rn. 13a ff.). Im Falle eines außergerichtlichen Vergleichs ist eine Bewilligung nach Auffassung des LSG Thüringen, Beschluss v. 12.2.2007, L 6 RJ 918/04, nicht mehr möglich.

Beigeladene können, müssen aber nicht mit einbezogen werden. Das Rechtsmittel eines Beigeladenen kann daher rechtshängig bleiben, während Kläger und Beklagter das Verfahren für erledigt erklären (BSGE 18 S. 131, 132).

Erklären die Beteiligten übereinstimmend die Streitsache für erledigt bzw. nimmt der Kläger die Klage aufgrund einer außergerichtlichen Einigung zurück, so ist das in sachlicher Hinsicht nicht zu überprüfen. Das Verfahren ist durch die Erklärung(en) beendet, auch wenn eine Unwirksamkeit der außergerichtlichen Einigung naheliegt. Die Erklärungen sind nur auf ihre formelle Wirksamkeit hin zu überprüfen; die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Prozesshandlung müssen vorliegen. Die Erledigterklärung unterliegt nicht dem Vertretungszwang nach § 166.

 

Rz. 28

Wird keine prozessbeendende Erklärung abgegeben, so ist ein außergerichtlicher Vergleich dennoch beachtlich. Ist der Kläger durch die Vereinbarung klaglos gestellt, weil die Behörde damit z. B. einen angefochtenen Verwaltungsakt aufgehoben hat, so ist der weiter aufrechterhaltene Sachantrag des Klägers mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Erklärt der Kläger trotz Hinweises durch das Gericht die Streitsache nicht für erledigt, kommt eine Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Betracht. Ist das berechtigte Interesse gegeben, kann der Kläger auch den Klageantrag auf einen solchen nach § 131 Abs. 1 Satz 3 umstellen. Wird der Kläger allein durch den außergerichtlichen Vergleich nicht klaglos gestellt, ist gleichwohl die damit verbundene materielle Bindung der Beteiligten zu beachten (BSG, Urteil v. 16.11.1961, 7/9 RV 866/59, SozR § 101 Nr. 4). Hat sich der Kläger in dem Vergleich verpflichtet, die Klage zurückzunehmen und will nun trotzdem den Prozess fortführen, ist sein Verhalten arglistig und die Klage nach h. M. als unzulässig abzuweisen (BSG, SozR § 102 Nr. 7; Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 101 Rn. 18a).

 

Rz. 29

Die Beteiligten können auch vereinbaren, den außergerichtlichen Vergleich zum Inhalt eines Prozessvergleichs zu machen. Nach § 122 SGG i. V. m. § 160 Abs. 5 ZPO genügt es dann, den schriftlich fixierten Vergleichstext als Anlage der Niederschrift beizufügen. Darüber hinaus kann der Vergleichsvorschlag dem Gericht unterbreitet werden, und dieses stellt das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs fest (§ 278 Abs. 6 ZPO; siehe hierzu Rn. 19).

Der außergerichtliche Vergleich ist kein Vollstreckungstitel. Verweigert ein am Vergleich Beteiligter die Erfüllung, kann hierauf unmittelbar aus dem Vergleich geklagt werden.

 

Rz. 30

Auf Antrag hat das Gericht nach § 193 Abs. 1 Satz 3 bzw. § 102 Satz 3 Satz1 1 HS 2 eine Entscheidung über die Kosten zu treffen. § 195 gilt nach seinem unmissverständlichen Wortlaut nicht (BSG, Beschluss v. 7.9.1998, B 2 U 10/98 R, SozR 3-1500 § 193 Nr. 10 = Breithaupt 1999 S. 724; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1988 S. 167, 170 f.). Für eine Kostenentscheidung besteht i. d. R. kein Bedürfnis, wenn die Beteiligten in dem Vergleich eine Regelung über die Kosten vereinbart haben (vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss v. 15.1.2001, L 4 KR 38/98). Sollte ein Bedürfnis zu bejahen sein, ist bei der Entscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 die im Vergleich getroffene Regelung zu berücksichtigen. Für Verfahren, in denen Gerichtskosten zu erheben sind, gelten die Regelungen des § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i. V. m. § 160 VwGO. Anders als § 195 differenziert § 160 VwGO nicht zwischen dem gerichtlichen und dem außergerichtlichen Vergleich, so dass die Regelung zumindest entsprechend angewendet wird (vgl. Kopp /Schenke, 16. Auflage, § 160 VwGO Rn. 3 und 7; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 101 Rn. 10 ff. m. w. N. und die Kommentierung zu § 197a Rn. 85; a. A. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 101 Rn. 18b, der im Fall der Klagerücknahme § 155 Abs. 2 anwendet).

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