Rz. 12

Der Vergleich kann auch nicht rechtshängige Gegenstände mit einbeziehen, die nicht in die Zuständigkeit des Gerichts fallen müssen, und es steht den Beteiligten ebenso frei, sich nur über einen Teil des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser abtrennbar ist, zu vergleichen. Nimmt der Kläger in dem Vergleich ein Teilanerkenntnis des Beklagten an und erklärt den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt, liegt hinsichtlich des nicht anerkannten Teils i. d. R. eine Rücknahmeerklärung vor (vgl. hierzu den Fall des Hessischen LSG, Urteil v. 21.2.2003, L 15/13 RA 1006/00).

 

Rz. 13

Die Beteiligten können eine Regelung über die Kosten treffen, sie müssen es aber nicht. Treffen sie keine Vereinbarung über die Kosten, so gilt die Regelung des § 195, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Ob die Beteiligten eine Negativvereinbarung in dem Sinne schließen können, dass es dem Gericht überlassen bleiben soll, über die Kosten zu entscheiden, ist umstritten. Nach Auffassung des LSG NRW verstößt eine derartige Vereinbarung gegen § 195 und ist daher unzulässig (LSG NRW, Beschluss v. 6.10.2000, L 10 B 19/99 P, NZS 2001 S. 163 ff.; LSG NRW, Beschluss v. 21.2.1997, L 11 SKa 84/96; a. A. aber der 16. Senat im Beschluss v. 29.10.1998, L 16 B 28/98 P, und das LSG Berlin, Beschluss v. 11.12.2002, L 17 B 44/02 P, sowie Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 195 Rn. 3a, § 101 Rn. 11, und Pawlak, § 101 Rn. 41; siehe hierzu auch die Kommentierung zu § 195 Rn. 4). Dieselbe Problematik ergibt sich in Verfahren, in denen Gerichtskosten zu erheben sind, über die Regelungen der § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 160 VwGO (vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 197a, Rn. 84, 85, und Kopp /Schenke, 16. Aufl., § 160 VwGO Rn. 1).

 

Rz. 14

Die Beteiligten können sich den Widerruf des Vergleichs vorbehalten. Dabei können sie auch die Form festlegen, in welcher der Widerruf zu erfolgen hat (BSG, SozR § 101 Nr. 7). Ist für den Widerruf nichts weiter bestimmt, muss die Erklärung binnen der vereinbarten Frist den anderen am Vergleich Beteiligten zugehen (so Peters/Sautter/Wolff, § 101 Anm. 1b, S. II/61-50; Zeihe, § 101 Rn. 7b: bei Fehlen einer Vereinbarung dem Gericht). Eine einvernehmliche Fristverlängerung wird für möglich gehalten (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.12.2013, L 29 AS 1328/11). Ist keine Schriftform für den Widerruf vereinbart, kann er auch in mündlicher Form erfolgen. Sogar ein telefonischer Widerruf ist möglich (BSG, Urteil v. 5.12.2001, B 7 AL 2/01 R). Hieraus können sich allerdings Beweisprobleme ergeben. Ist das Gericht der Ansicht, der Widerruf sei nicht wirksam, weil er erst nach Ablauf der vereinbarten Frist erfolgt ist, so hat es rechtzeitig darauf hinzuweisen. Insbesondere in der Berufungsinstanz kann nicht überraschend Jahre nach dem Widerruf und nach Durchführung von mehreren Erörterungsterminen der Kläger erstmalig auf die Unwirksamkeit des Widerrufs wegen Fristablaufs hingewiesen und darauf unmittelbar ein Urteil gestützt werden, ohne dass dem Kläger Gelegenheit gegeben wird, sich auf die neue Situation einzustellen und möglicherweise den Gegenbeweis zu erbringen. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vor (BSG, Urteil v. 5.12.2001, B 7 AL 2/01 R).

 

Rz. 15

Üblich ist eine Vereinbarung, wonach der Widerruf innerhalb einer bestimmten Frist bei dem Gericht einzugehen hat. Ein nach Ablauf der vereinbarten Frist zugegangener Widerruf ist unwirksam und führt zwingend zur Fortsetzung des Verfahrens. Bei Vereinbarung eines Widerrufs steht der Vergleich unter der aufschiebenden Bedingung des Unterlassens des Widerrufs. Nach einer Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein kann es sich im Einzelfall auch um eine auflösende Bedingung handeln, was durch Auslegung zu ermitteln sei (LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 18.9.1998, L 3 Ar 16/97).

Die Beteiligten können den Vergleich nach h. M. auch unter anderweitigen Bedingungen schließen (Peters/Sautter/Wolff, § 101 Anm. 1b; Pawlak in: Hennig, § 101 Rn. 19; a. A. Zeihe, § 101 Rn. 4b). Die h. M. führt nicht nur zu Problemen bei der Vollstreckung, sie ist auch insofern inkonsequent, als der Vergleich ihr zufolge auch eine Prozesshandlung darstellt; Prozesshandlungen sind aber grundsätzlich bedingungsfeindlich.

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