0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch das Rentenreformgesetz v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Durch das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1795) erfolgte mit Wirkung zum 1.8.2004 zunächst eine Ergänzung um die Worte "soweit der Anspruch auf dem Rentensplitting unter Ehegatten beruht". Das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts v. 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396) hat dann mit Wirkung zum 1.1.2005 die Worte "unter Ehegatten" wieder entfallen lassen.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift ersetzt § 1277 Abs. 1 Satz 2 RVO, § 54 AVG. Damit wird ein Anspruch auf Rente wegen Todes sowie eine (eigene) Versichertenrente, soweit sie aufgrund eines Rentensplittings entstanden ist, für die Personen ausgeschlossen, die den für den Eintritt des Versicherungsfalles relevanten Tod vorsätzlich herbeigeführt haben. Der Täter soll nicht aus der Tat einen materiellen Vorteil durch Leistungen aus der Solidargemeinschaft haben (BSG, Urteil v. 20.2.1986, 4a RJ 35/85). Für den Bereich der privaten Lebensversicherung regelt § 162 VVG eine entsprechende Rechtsfolge. Der Rechtsgedanken findet sich auch in § 2339 Abs. 1 BGB wider (BGH, Urteil v. 11.3.2015, IV ZR 400/14).

2 Rechtspraxis

2.1 Ausschluss

 

Rz. 2

§ 105 schließt die Personen von der Gewährung einer Rente wegen Todes aus, die den Tod des Versicherten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt haben (vgl. auch BSG, Urteil v. 8.2.2017, B 14 AS 3/16 R). Der Rentenausschluss betrifft die Hinterbliebenenrenten (§§ 46, 48, 243, 243a und 304) und die Erziehungsrenten (§ 47). Insoweit hat der Gesetzgeber gegenüber der Regelung in der RVO bzw. dem AVG den betroffenen Personenkreis um die Bezieher einer Erziehungsrente erweitert. Die Rechtsfolge des § 105 (Rentenausschluss) trifft aber immer nur die Person, die den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt hat (zur Tötung auf Verlangen: BSG, Urteil v. 4.12.2014, B 2 U 18/13 R, und BVerfG, Urteil v. 26.2.2020, 2 BvR 2347/15). Sie wirkt sich nicht auf die Hinterbliebenenrente anderer Personen aus. Hat z. B. der Ehegatte den Versicherten getötet, so erhält er keine Witwen-/Witwerrente; die Kinder sind jedoch weiterhin waisenrentenberechtigt.

 

Rz. 3

Neben den o. g. Renten wird von der Rechtsfolge des § 105 auch die sog. wiederaufgelebte Witwenrente gemäß § 46 Abs. 3 erfasst, wenn nämlich der Berechtigte den Tod des letzten Ehegatten herbeigeführt hat und damit die Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehegatten auslöst. Anderenfalls würde der Ausschluss bei der Hinterbliebenenrente nach dem letzten Ehegatten unterlaufen werden (BSG, Urteil v. 20.2.1986, 4a RJ 35/85). Im Gegensatz zur Regelung in § 104 ist der Anspruch vollständig ausgeschlossen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht (BVerfG, SozR 2200 § 1277 Nr. 4). Lebenspartner i. S. d. Lebenspartnerschaftsgesetzes sind Ehegatten gleichgestellt.

 

Rz. 3a

Der Ausschluss gemäß § 105 erstreckt sich auch auf einen Rentenanspruch, soweit er auf einem Rentensplitting gemäß §§ 120a ff. beruht. Diese Erweiterung von § 105 war erforderlich, um insoweit nicht diejenigen zu begünstigen, die sich statt eines Anspruchs auf eine Witwen-/Witwerrente für ein Rentensplitting entschieden haben.

2.2 Vorsatz

 

Rz. 4

Die Rechtsfolgen des § 105 treten nur dann ein, wenn der Tod vorsätzlich (im strafrechtlichen Sinne) herbeigeführt worden ist. Die Feststellung der vorsätzlichen Tötung hat der Rentenversicherungsträger aufgrund eigener Ermittlungen (§ 20 SGB X) zu treffen. Die Entscheidung ist von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu überprüfen. In der Praxis werden jedoch regelmäßig die Feststellungen im Urteil des Strafgerichts im Rahmen der (eigenen) Beweiswürdigung übernommen. Eine Bindungswirkung kommt einem Strafurteil jedoch nicht zu (BSG, Urteil v. 4.12.2014, B 2 U 18/13 R). Das Strafurteil ist als Urkundsbeweis gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu berücksichtigen (LSG Hessen, Urteil v. 24.9.2010, L 5 R 184/10). In der Praxis hat es jedoch sehr große Bedeutung. Nur soweit kein Strafurteil vorliegt, erfolgen wirklich eigene Feststellungen. Es ist keine Absicht im Rechtssinne wie bei dem Ausschlussgrund im § 103 erforderlich. Es reicht vielmehr jede Art von Vorsatz aus. Neben dem direkten Vorsatz, d. h., die Straftat ist mit Wissen und Wollen ausgeführt worden, führt auch der bedingte Vorsatz, d. h., der Tod des Versicherten ist billigend in Kauf genommen worden, zum Ausschluss. Dabei ist es unerheblich, ob der Rentenantragsteller als Täter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt war (BSG, SozR 2200 § 1277 Nr. 3, und Urteil v. 1.6.1982, 1 RA 45/81). Eine Anwendung von § 105 ist aber dann ausgeschlossen, wenn die Tat nicht rechtswidrig geschah. Erfolgt die Tötung etwa in Notwehr, so ist sie nicht rechtswidrig und § 105 greift nicht. Eine Anwendung von § 105 unterbleibt auch dann, wenn wegen Unzurechnungsfähigkeit völlige Schuldunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht zulässig, in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 104 je nach dem Grad der Schuldunfähigke...

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