Rz. 3

Während es anfänglich (§ 1261 RVO a. F.) für den Ausschluss als ausreichend angesehen wurde, dass der Versicherte sich vorsätzlich invalide gemacht hat, ist später dann in § 1277 Abs. 1 Satz 1 RVO das Tatbestandsmerkmal "absichtlich" eingefügt worden. Absichtlich handelt, wer erstens weiß, dass er durch sein Tun die Erwerbsminderung herbeiführt, und zweitens dies auch will (direkter Vorsatz). Die Herbeiführung einer Erwerbsminderung durch Unterlassen reicht grundsätzlich auch aus. Davon zu unterscheiden ist aber das nicht ausreichende Unterlassen einer Beseitigung der Erwerbsminderung. Nicht erforderlich ist es jedoch, dass der Versicherte nur das Ziel hatte, die Voraussetzungen für den Rentenanspruch zu schaffen. Es muss jedoch als ausreichend angesehen werden, wenn er wusste, Folge seines Handelns werde eine die Rentenleistung auslösende gesundheitliche Beeinträchtigung sein. Es kann jedoch nicht als ausreichend angesehen werden, wenn der Versicherte nur mit der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechnet hat, selbst wenn er die Erwerbsminderung billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz – dolus eventualis).

 

Rz. 4

Hat ein Versicherter einen Selbstmordversuch begangen, so ist sein Vorsatz auf den Tod, nicht auf die Selbstbeschädigung gerichtet. Die Selbstbeschädigung nimmt er allenfalls im Sinne eines dolus eventualis in Kauf. Es besteht danach i. d. R. ein Rentenanspruch. Ist die gesundheitliche Beeinträchtigung durch Alkohol- oder Drogenabhängigkeit hervorgerufen, so ist § 103 nicht anwendbar. Soweit eine andere Ansicht vertreten wird (BSG, Urteil v. 25.6.1964, 4 RJ 425/63; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 22.10.2011, L 7 RJ 15/00; Hauck/Haines, SGB VI, § 103 Rz. 5), wird die psychische Situation eines Suchtkranken nicht ausreichend berücksichtigt (so auch LSG Schleswig-Holstein, a. a. O.). Aus den gleichen Gründen kann bei alimentär bedingter Übergewichtigkeit ebenfalls eine absichtliche Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht angenommen werden (a. A. LSG Mainz, Breithaupt 1976, 568). Weigert sich der Versicherte, sich ärztlich behandeln zu lassen, liegt ebenfalls kein Ausschlussgrund gemäß § 103 vor, da die gesundheitliche Beeinträchtigung auf eine zielgerichtete Aktivität des Versicherten beruhen muss. Deshalb reicht auch das absichtliche Unterlassen der möglichen Beseitigung einer nicht absichtlich herbeigeführten Erwerbsminderung nicht aus. Es kommt lediglich eine Versagung oder Entziehung der Rentenleistung gemäß § 66 SGB I (mangelnde Mitwirkung) in Betracht.

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