0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Verpflichtungsermächtigungen (VE) sind durch die Haushaltsreform 1969 mit §§ 5 und 22 HGrG zum 1.1.1970 begrifflich neu eingeführt worden (BGBl. I S. 1273). Die Übernahme in das SGB IV erfolgte mit Inkrafttreten dieses Gesetzes v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) zum 1.7.1977. Durch das Erste SGB IV-ÄndG v. 3.4.2001 (BGBl. I S. 467, in Kraft getreten am 7.4.2001) wurde § 75 Abs. 2 um Satz 2 erweitert, in dem klargestellt wird, dass es abweichend keiner VE bedarf, wenn zulasten übertragbarer Ausgaben (vgl. § 8 SVHV; Bundesagentur für Arbeit: § 77a SGB IV i. V. m. § 19 BHO) Verpflichtungen eingegangen werden sollen, die im folgenden Haushaltsjahr zu Ausgaben führen.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Mit der Vorschrift des § 75 sind die Rahmenregelungen nach § 22 Abs. 1 und 4 HGrG für die Träger der Sozialversicherung umgesetzt worden. Zum Geltungsbereich vgl. § 67.

2 Rechtspraxis

2.1 Verpflichtungsermächtigungen – Begriff und Verfahren (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 2

Nach der Legaldefinition berechtigen VE im Haushaltsplan den Versicherungsträger, Maßnahmen zu ergreifen, die ihn zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren verpflichten. VE sind Haushaltsmittel wie die veranschlagten Einnahmen und Ausgaben. Nicht in Anspruch genommene VE verfallen am Ende des Haushaltsjahres grundsätzlich ebenso wie nicht in Anspruch genommene Ausgabeermächtigungen.

 

Rz. 3

Näheres zur Veranschlagung der VE ist für die Versicherungsträger mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 78 SGB IV) in § 6 Abs. 1 und 2 SVHV geregelt. Für die Bundesagentur gelten vergleichbare Regelungen auf der Grundlage des § 77a SGB IV i. V. m. §§ 6, 16 und 38 BHO und den Verwaltungsvorschriften dazu. VE sind danach bei den jeweiligen Ausgaben gesondert zu veranschlagen. Wenn Verpflichtungen zulasten mehrerer Haushaltsjahre eingegangen werden können, sollen die Jahresbeträge im Haushaltsplan angegeben werden. Die Jahresbeträge sind ebenso verbindlich wie der Gesamtbetrag der VE. Für bereits eingegangene Verpflichtungen dürfen VE nicht erneut veranschlagt werden. Das bedeutet, dass für Verpflichtungen, die in einem früheren Haushaltsjahr auf der Grundlage von VE eingegangen wurden, in den Haushaltsjahren, in denen die Fälligkeit noch nicht erreicht wird, noch keine Ausgabeermächtigungen und VE nicht noch einmal vorzusehen sind. Sofern die Verpflichtungen erst in einem späteren als dem laufenden Haushaltsjahr eingegangen werden, ist im laufenden Haushaltsjahr noch keine VE zu veranschlagen, sondern erst in dem Haushaltsjahr, in dem die Verpflichtung eingegangen wird. Dies ist insbesondere bei Genehmigungsverfahren für Baumaßnahmen zu beachten, die grundsätzlich den Nachweis der Finanzierungsgrundlage erfordern. Allerdings sind aufgrund des Jährlichkeitsprinzips Haushaltsmittel sparsam und bedarfsorientiert zu planen. Insofern sind zu genehmigende bzw. genehmigte Mittel ggf. erst in späteren Haushalten zu planen; vgl. hierzu auch Erlass des Bundesversicherungsamts v. 6.3.2018.

Die Veranschlagung von VE in einem Haushaltsjahr präjudiziert die Veranschlagung von Ausgabeermächtigungen in den Haushaltsjahren der jeweiligen Zahlungsfälligkeit, denn in dem Umfang, in dem ein Versicherungsträger VE in Anspruch nimmt, sind in den Jahren der jeweiligen Zahlungsfälligkeit entsprechende Ausgabeermächtigungen erforderlich. Solche Ausgabeverpflichtungen genießen bei der Haushaltsplanung Vorrang vor neu geplanten Ausgaben. Hohe Vorbelastungen aus in Anspruch genommenen VE früherer Haushaltsjahre schränken im Jahr der Fälligkeit den Spielraum für neue Ausgabeverpflichtungen ein oder sie bedingen ein höheres Volumen an Ausgabeermächtigungen.

 

Rz. 4

Auf Verlangen der Selbstverwaltungsorgane ist dem Haushaltsplan der Versicherungsträger mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit eine Übersicht über die veranschlagten VE beizufügen (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 SVHV). Die Übersicht kann sowohl der Vorstand als auch die Vertreterversammlung (bei den in § 35a Abs. 1 genannten Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie Ersatzkassen der Verwaltungsrat, vgl. § 31 Abs. 3a SGB IV) verlangen. Im Haushaltsplan der Bundesagentur für Arbeit ist die Übersicht über die veranschlagten VE fester Bestandteil der Haushaltsübersicht auf der Grundlage des § 77a SGB IV i. V. m. § 13 Abs. 4 Nr. 1 BHO.

Die veranschlagten VE sind wie Einnahmen und Ausgaben bei der Haushaltsstelle, soweit erforderlich, zu erläutern (§ 7 Abs. 1 SVHV; bei der Bundesagentur für Arbeit: § 17 Abs. 1 BHO). Die Angabe von Jahresbeträgen ist eine Sollvorgabe (§ 6 Abs. 2 Satz 2 SVHV bzw. § 16 Satz 2 BHO bei der Bundesagentur für Arbeit), von der der Versicherungsträger abweichen darf.

VE sind nicht übertragbar. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 8 SVHV (bzw. aus § 19 Abs. 1 BHO für die Bundesagentur für Arbeit). Die dort gefassten Regelungen zur Übertragbarkeit beziehen sich ausschließlich auf Ausgaben. Insofern sind die VE ggf. in späteren Haushaltsjahren nochmals zu veranschlagen. Diese Regelung dient der Haushaltstransparenz.

VE können im Haushaltsplan ebenso wie Ausgaben für einseitig oder gegenseitig deckungsfähig erklärt werden, wenn...

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