Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerätegestütztes Wirbelsäulentraining. ergänzende Leistung zur Rehabilitation. Abgrenzung von Heilmitteln und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation. Ermessensausübung bei der Bewilligung ergänzender Leistungen zur Rehabilitation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gerätegestütztes Wirbelsäulentraining nach dem vom Forschungs- und Präventionszentrum K. (FPZ) entwickelten Konzept (Denner- oder Kiesertraining) kann eine ergänzende Leistung zur Rehabilitation iS von § 43 SGB 5 darstellen.

2. Zur Abgrenzung von Heilmitteln und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation.

3. Bei der Bewilligung ergänzender Leistungen zur Rehabilitation haben die gesetzlichen Krankenkassen ein weites Ermessen.

4. Hat eine Krankenkasse ergänzende Leistungen zur Rehabilitation ermessensfehlerhaft abgelehnt und verschafft sich der Versicherte die Leistung daraufhin selbst, kommt eine Verurteilung der Krankenkasse zur Erstattung der entstandenen Kosten nur in Betracht, wenn in Bezug auf die begehrte Leistung keine andere ermessensfehlerfreie Entscheidung als eine Bewilligung denkbar war.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 14. August 2002 abgeändert und der Bescheid vom 30. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2001 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, über den Kostenerstattungsanspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für ein vom Forschungs- und Präventionszentrum C-Stadt (FPZ) entwickeltes, gerätegestütztes Wirbelsäulenfunktionstraining nach Dr. D.

Der 1967 geborene Kläger litt seit November 2000 unter einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich mit Lumboischialgien links, was ärztliche und krankengymnastische Behandlung erforderlich machte. Am 22. Januar 2001 beantragte er als “ergänzende Leistung zur Rehabilitation" die Kostenübernahme für eine analysegestützte Wirbelsäulentherapie in dem Therapie- und Trainingszentrum D-Stadt für die Dauer von einem Jahr. Hierzu bezog er sich auf eine Vereinbarung vom 6. Februar 1998 zwischen dem Landesverband Hessen der Betriebskrankenkassen (BKK Landesverband Hessen) und den hessischen FPZ-Einrichtungen über die “Durchführung ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen nach dem standardisierten FPZ-Konzept zur Beseitigung somatischer Rückenbeschwerden nach § 43 Nr. 2 SGB V", wonach die hessischen Betriebskrankenkassen die Kosten des FPZ-Trainings unter bestimmten Voraussetzungen zu wesentlichen Teilen übernehmen. Er fügte eine entsprechende Verordnung des Arztes für Orthopädie A. vom 18. Januar 2001 bei, der dem Kläger auch die gesundheitliche Eignung für die medizinische Trainingstherapie bescheinigte.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Leistungen zur Krankenbehandlung würden übernommen, wenn sie medizinisch notwendig seien und von vertraglich zugelassenen Leistungserbringern durchgeführt würden. Das Therapie- und Rehabilitationszentrum D-Stadt sei kein vertraglich zugelassener Leistungserbringer und das FPZ-Trainingsprogramm keine vertraglich zugelassene Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch als Präventionsmaßnahme könne diese Maßnahme nicht erbracht werden. In einem Schreiben vom 15. Februar 2001 verwies die Beklagte ergänzend darauf, dass sie der Vereinbarung zwischen den FPZ-Zentren und dem BKK Landesverband Hessen nicht beigetreten sei.

Der Kläger erhob am 22. Februar 2001 Widerspruch und verwies darauf, dass er weiterhin Rückenbeschwerden habe. Das begehrte Muskelaufbautraining sei sicherlich wirtschaftlicher als etwa eine Operation oder wiederholte ärztliche Rezepte. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 10. Mai 2001 Klage zum Sozialgericht Fulda erhoben. Er hat geltend gemacht, das FPZ-Trainingsprogramm sei sehr wohl eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich ein Heilmittel, auch wenn es nicht in den Heilmittelrichtlinien aufgeführt werde. Das Therapie- und Rehabilitationszentrum D-Stadt sei ein zur Abgabe von Heilmitteln zugelassener Leistungserbringer, dessen Inhaber auch sämtliche Vorbereitungskurse für die Durchführung des FPZ-Trainings durchgeführt habe. Aber auch dann, wenn man das FPZ-Training als medizinische Präventionsmaßnahme oder als Maßnahme der ambulanten Rehabilitation ansehe, habe er einen Anspruch auf diese ärztlich verordnete Leistung.

Demgegenüber hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) das FPZ-Training zwar als präventive eigenverantwortliche Übungsmaßnahme sinnvoll sei, ihm jedoch die grundsätzlichen Eigenschaften einer Krankengymnastik fehlen würden. Eine Pflicht, sich an solchen M...

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