Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. ärztlicher Bereitschaftsdienst. Heranziehung von ermächtigten Krankenhausärzten ist rechtswidrig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Heranziehung ermächtigter Krankenhausärzte zur Teilnahme am ÄBD ist rechtswidrig.

2. Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst folgt aus seinem Zulassungsstatus. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst hat der Gesetzgeber als Annex zur Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet (stRspr BSG vom 11.12.2013 - B 6 KA 39/12 R = SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 14). Von diesem Status der Zulassung unterscheidet sich der Status eines nach § 116 SGB V persönlich ermächtigten Krankenhausarztes. Die Ermächtigung ist gegenüber der Zulassung nicht nur nachrangig, sondern insbesondere streng auf den von den Zulassungsgremien explizit zu bestimmenden Umfang begrenzt. Nur in diesen Grenzen nimmt damit der ermächtigte Krankenhausarzt im Sinne von § 95 Abs 4 S 1 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teil und unterscheidet sich damit grundlegend von dem in freier Praxis (§ 32 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV) arbeitenden zugelassenen Vertragsarzt.

 

Orientierungssatz

Aktenzeichen beim BSG: B 6 KA 7/17 B

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2018; Aktenzeichen B 6 KA 50/17 R)

 

Tenor

- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Februar 2015 aufgehoben und festgestellt, dass der Bescheid über die Einteilung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst des Obmanns für den Bezirk A-Stadt für den Zeitraum Oktober 2014 bis Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2014 rechtswidrig ist.

- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

- Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die die Teilnahmepflicht eines ermächtigten Krankenhausarztes am ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) streitig.

Der Kläger ist leitender Oberarzt der Klinik für Urologie am Klinikum A-Stadt. Seit mehreren Jahren ist er als angestellter Krankenhausarzt tätig und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 116 SGB V i. V. m. § 31a Ärzte-ZV ermächtigt.

Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 25. Mai 2013 eine neue Bereitschaftsdienstordnung (BDO) als Grundlage für die Reform des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Hessen. Die neue Bereitschaftsdienstordnung enthielt im Gegensatz zu der bisherigen Notdienstregelung eine Teilnahmepflicht aller ermächtigten Krankenhausärzte. § 3 Absatz 1 der am 1. Oktober 2013 in Kraft getretenen BDO lautet:

"Am ÄBD nehmen grundsätzlich, im Umfang ihres Versorgungsauftrages, alle Arztsitze in einer ÄBD-Gemeinschaft sowie alle ermächtigten Krankenhausärzte teil. Die Inhaber der Arztsitze nehmen mit der Anzahl ihrer Arztsitze teil. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) nehmen mit der Anzahl der jeweiligen Vertragsarztsitze am ÄBD teil, die Verantwortung für die Teilnahme liegt beim ärztlichen Leiter des MVZ. Ermächtigte Krankenhausärzte nehmen im Umfang von 0,25 eines Versorgungsauftrags am ÄBD teil. Die KVH kann den Teilnahmeumfang höher festlegen, wenn im konkreten Einzelfall (auch unter Berücksichtigung der Abrechnung des ermächtigten Krankenhausarztes) ein höherer Teilnahmeumfang des ermächtigten Krankenhausarztes an der vertragsärztlichen Versorgung vorliegt."

Nachdem der Kläger darüber informiert worden war, dass er am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen müsse und von dem Obmann des ÄBD A-Stadt einen Dienstplan für den Zeitraum Oktober 2014 bis Januar 2015 erhalten hatte, legte er mit Schreiben vom 27. März 2014 Widerspruch gegen die grundsätzliche Heranziehung zum ÄBD und der Einteilung zum Bereitschaftsdienst ein. Hilfsweise beantragte er die Befreiung vom ÄBD. Zur Begründung trug er vor, dass die generelle Heranziehung der ermächtigten Krankenhausärzte zum ÄBD rechtswidrig sei, da Ermächtigungen nur für genau bestimmte Leistungen erteilt würden und dies auf einem qualitativ-speziellen Versorgungsbedarf beruhe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass nach der neuen Bereitschaftsdienstordnung auch ermächtigte Krankenhausärzte verpflichtet seien, am ÄBD teilzunehmen. Der Besonderheit der Ermächtigung werde dadurch Rechnung getragen, dass die Teilnahme auf den Umfang von 0,25 eines Versorgungsauftrages begrenzt sei. Diese Regelung sei auch rechtmäßig, da nach § 95 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 SGB V auch ermächtigte Ärzte verpflichtet seien, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Dazu gehöre auch die Sicherstellung der Versorgung für Notfälle zu den sprechstundenfreien Zeiten, § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V. Als ermächtigter Krankenhausarzt sei der Kläger Mitglied der Beklagten und damit nach § 81 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 3 der Satzung der KV Hessen verpflichtet, am ÄBD teilzunehmen.

Hiergegen erhob der Kläger am 8. August 2014 Klage beim Sozialgericht Marburg.

Er ...

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