Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. nicht verschreibungspflichtige Medikamente

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 entweder durch die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB 5 oder aber (ergänzend) durch die Regelleistung nach dem SGB 2 abgedeckt; aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entsteht grundsätzlich kein unabweisbarer laufender Bedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB 2 (vgl BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R = BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23 ff).

2. Sofern die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Präparate nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, kann eine Übernahme der Kosten nach § 21 Abs 6 SGB 2 ausnahmsweise möglich sein, wenn die betreffenden Produkte bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und außerdem feststeht, dass der Leistungsberechtigte hierauf dringend angewiesen ist.

 

Tenor

I Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.

II Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 zu gewährenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Umstritten ist dabei insbesondere, ob über die bereits gewährten bzw. dem Kläger in I. Instanz bereits zugesprochenen Leistungen hinausgehend ein weiterer Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sowie für Medikamente zu berücksichtigen ist.

Der 1957 geborene Kläger steht seit 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er hat seitdem vor dem Sozialgericht Wiesbaden und vor dem Hessischen Landessozialgericht zahlreiche Rechtsstreite gegen die Beklagte geführt. Für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger entsprechend einer Verurteilung durch das Sozialgericht Wiesbaden (Urteil vom 8. April 2008 - S 12 AS 614/07) wegen einer Fettstoffwechselstörung durch Ausführungsbescheid vom 13. Dezember 2011 (Bl. 334 Verwaltungsakten) Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Durch Weitergewährungsbescheide vom 5. Juni 2012 (Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012) sowie vom 17. Dezember 2012 (Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013) bewilligte die Beklagte dem Kläger entsprechende SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung desselben Mehrbedarfs.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 (Bl. 348 Verwaltungsakten) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Berücksichtigung eines weitergehenden Mehrbedarfs und legte ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin C. vom 2. März 2012 sowie vom 11. Juni 2012 vor. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Arztes Dr. med. D. (Gesundheitsamt A-Stadt) vom 5. November 2012 ein und lehnte hierauf gestützt durch Bescheid vom 19. November 2012 und Widerspruchsbescheid vom 8. August 2013 (Bl. 5 Gerichtsakten) eine Erhöhung des Mehrbedarfs ab.

Der Kläger hat daraufhin am 10. September 2013 erneut Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben und geltend gemacht, dass der ihm bereits zugebilligte Mehrbedarf in Höhe von 10 % des Regelbedarfs aufgrund neu hinzugetretener Erkrankungen und einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht mehr ausreichend sei. Er müsse insbesondere in erhöhten Mengen kalziumhaltige Lebensmittel, insbesondere Milch und Milchprodukte, Fisch und Meeresfrüchte, Obst und Gemüse, Mehl, Soja und Vollwertbrot, sowie eine das Immunsystem stärkende schadstoffarme Ernährung mit hohem Vitaminanteil zu sich nehmen. Außerdem benötige er Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzpräparate (Vitamin D3 Hevert®, Neurodoron® und Care Immun Basic®), welche nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden. Insoweit hat der Kläger bezüglich des im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraums Apothekenquittungen über die nachfolgend aufgeführten Aufwendungen vorgelegt:

Datum

Präparat

Kaufpreis

12. Juni 2012

Vitamin D3 Hevert®

6,37 €

24. Dezember 2012

Vitamin D3 Hevert®

6,22 €

28. Dezember 2012

Care Immun Basic®

83,07 €

 6. Februar 2013

Neurodoron®

20,76 €

12. April 2013

Vitamin D3 Hevert®

6,22 €

Die Beklagte hat die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung wiederholt und darauf hingewiesen, dass insbesondere der vom Kläger geltend gemachte weitere Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nachgewiesen sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 28. November 2016 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, dem Kläger weitere...

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