Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestands- oder Rechtskraft der Gegenforderung des Leistungsträgers keine Voraussetzung für eine Verrechnung nach § 52 iVm § 51 SGB 1. Auslegung des § 25 Abs 1 S 2 SGB 4. keine Heranziehung der zu § 266a StGB entwickelten Grundsätze

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Verrechnung gemäß § 52 iVm § 51 SGB 1 muss die Gegenforderung des Leistungsträgers nicht bestands- oder rechtskräftig geworden sein. Das folgt aus § 28f Abs 3 S 3 SGB 4, wonach die vom Arbeitgeber der Einzugsstelle zu übermittelnden Beitragsnachweise für die Vollstreckung als Leistungsbescheide der Einzugsstelle gelten. Dann müssen diese Beitragsnachweise aber auch zum Nachweis einer Forderung im Rahmen einer Verrechnung ausreichen.

2. Die zu § 266a StGB für die Fälle einer vollständigen Zahlungsunfähigkeit entwickelten Grundsätze sind für die Auslegung des § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 nicht heranzuziehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.08.2019; Aktenzeichen B 13 R 220/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 15. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2016 wird abgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger 3/10 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verrechnung von Beitragsansprüchen der Beigeladenen gegen die dem Kläger zuerkannte Altersrente gemäß § 52 i. V. m. § 51 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I).

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1992 zeigte die AOK A-kreis, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Rechtsvorgängerin der Beklagten, an, dass ihr der Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 11.474,72 DM schulde, und beantragte vorsorglich die Auf- bzw. Verrechnung mit eventuell zugebilligten oder in Zukunft gewährten Renten.

Seit dem 1. März 2012 bezieht der Kläger von der Beklagten Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfänglich 833,79 €.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 teilte die Beklagte der Beigeladenen den Rentenbezug des Klägers mit und wies darauf hin, dass in dessen Versicherungskonto in den Altdaten ein Forderungsersuchen der AOK A-kreis ohne weitere Angaben abgespeichert sei. Die Beigeladene werde daher um Prüfung gebeten, inwieweit die damals ausgesprochene Forderung noch bestehe, sowie Angaben zum Rechtsgrund, dem Entstehungszeitpunkt und der Fälligkeit der Forderung nachzuholen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2012 teilte die Beigeladene unter Bezugnahme auf das Ersuchen vom 21. Oktober 1992 mit, dass sie weiterhin Inhaber einer Geldforderung gegen den Kläger sei. Es handele sich hierbei um einen öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch in Höhe von 5.886,42 €, der sich aus einer Hauptforderung vom 1. März 1985 bis 30. April 1985 in Höhe von 4.164,69 € und Vollstreckungskosten in Höhe von 1.721,73 € zusammensetze und sich durch noch mitzuteilende Säumniszuschläge weiter erhöhen werde. Die Beitragsforderung sei in den Monaten März 1985 und April 1985 entstanden und am 15. des jeweiligen Folgemonats fällig geworden. Die im rückständigen Zeitraum zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien vom Kläger als Arbeitgeber per Beitragsnachweis gemeldet worden. In der Sozialversicherung bedürfe es zur Entstehung des Beitragsanspruchs keiner Konkretisierung durch Einzelbescheid des Versicherungsträgers. Der Beitragsnachweis gelte für die Vollstreckung als Leistungsbescheid.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 hörte die Beklagte den Kläger zu einem beabsichtigen Einbehalt von seiner Regelaltersrente in Höhe von monatlich 400 € an, wobei sie ihn insbesondere auch auf die Möglichkeit hinwies, eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers vorzulegen, falls er durch den Einbehalt sozialhilfebedürftig werden sollte.

Von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Kläger Gebrauch, indem er ausführte, dass seine monatliche Rente unterhalb jeglicher Pfändungsfreigrenze von Arbeitseinkommen liege und daher seine Hilfebedürftigkeit von Gesetzes wegen festgestellt sei (Schreiben vom 3. März 2012).

Mit Bescheid vom 29. März 2012 verrechnete die Beklagte die dem Kläger zustehende Altersrente in Höhe von 400 € mit der Beitragsforderung der Beigeladenen. Sie sei von der Beigeladenen ermächtigt worden, die geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung für die Zeit vom 1. März 1985 bis 30. April 1985 (ggf. einschließlich Nebenforderungen) von 5.886,42 € (ggf. zuzüglich weiterer Zinsen, Säumniszuschläge) gegen die ihm zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen. Die laufende Zahlung der Rente werde mit Ablauf des Monats April 2012 eingestellt. Der Kläger erhalte ab 1. Mai 2012 monatlich 433,79 €.

Hiergegen erhob der Kläger am 23. April 2012 Widerspruch, den er damit begründete, dass Vollstreckungskosten nur nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 SGB I verre...

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