Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Bezug von Ausbildungsgeld oder Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB 3. kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit. kein Abzug des Grundfreibetrags oder des Erwerbstätigenfreibetrags

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Erwerbstätigenpauschale oder ein Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b SGB II ist nur bei Einkommen aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Weder das Ausbildungsgeld noch die Berufsausbildungsbeihilfe sind Einkommen aus Erwerbstätigkeit und auch nicht wie solches zu behandeln (vgl Parallelentscheidung des LSG Darmstadt vom 9.3.2016 - L 6 AS 795/12).

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. November 2014 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Januar 2012 zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Zwischen den Beteiligten ist dabei allein noch umstritten, ob bei dem vom Kläger zu 1. bezogenen Ausbildungsgeld und bei der vom Kläger zu 2. bezogenen Berufsausbildungsbeihilfe ein Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11 b SGB II abzusetzen ist.

Die 1993 geborenen Kläger sind Zwillinge und leben gemeinsam mit ihrer 1965 geborenen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beklagte gewährte den Klägern und ihrer Mutter als Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 29. Juli 2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Januar 2012. Dabei entfielen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei den Klägern jeweils monatlich 137,00 Euro.

Ab dem 19. September 2011 nahmen beide Kläger getrennt voneinander an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ab dem Beginn dieser Maßnahmen dem Kläger zu 1. Ausbildungsgeld bis zum 18. August 2012 in Höhe von monatlich 216,00 Euro (Bescheid vom 16. August 2011), dem Kläger zu 2. Berufsausbildungsbeihilfe bis zum 18. Juli 2012 in Höhe von insgesamt 261,00 Euro, wobei auf den Bedarf für den Lebensunterhalt 216,00 Euro entfielen (Bescheid vom 25. Oktober 2011).

Daraufhin änderte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 seine Leistungsbewilligung für den Kläger zu 1. und mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 für den Kläger zu 2. und bewilligte den Klägern für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Januar 2012 jeweils nur noch monatlich 50,60 Euro an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Eine hierdurch eingetretene Überzahlung der in der Vergangenheit erbrachten SGB II-Leistungen wurde durch einen von dem Beklagten bei der Bundesagentur für Arbeit angemeldeten Erstattungsanspruch ausgeglichen.

Mit ihrem Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2011 machten die Kläger geltend, die Anrechnung von Ausbildungsgeld und Berufsausbildungsbeihilfe auf das Arbeitslosengeld II sei fehlerhaft. Es handele sich um eine zweckbestimmte Einnahme bzw. es sei als Erwerbseinkommen im Sinne des SGB II zu bewerten, so dass ein Grundfreibetrag von 100,00 Euro zu berücksichtigen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass es sich bei der Berufsausbildungsbeihilfe und dem Ausbildungsgeld um Leistungen der Arbeitsförderung und somit um keine zweckbestimmten Einnahmen handele. Ein Freibetrag werde nur für Erwerbseinkommen berücksichtigt, Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld seien jedoch kein Erwerbseinkommen sondern Leistungen, die die Arbeitsaufnahme förderten.

Für den streitgegenständlichen Zeitraum erließ der Beklagte aus anderen Gründen die weiteren Änderungsbescheide vom 26. November 2011, 18. Januar 2012 und 15. Februar 2012.

Die Kläger haben am 23. Februar 2012 Klage zum Sozialgericht Kassel gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass das Ausbildungsgeld und die Berufsausbildungsbeihilfe nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, zumindest aber ein Erwerbstätigenfreibetrag davon abzusetzen sei.

Der Beklagte hat an seiner Rechtsauffassung aus dem Widerspruchsbescheid festgehalten.

Mit Urteil vom 5. November 2014 hat das Sozialgericht Kassel die Bescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2011, 26. November 2011 und 18. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 sowie den Folgebescheid des Beklagten vom 15. Februar 2012 abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Januar 2012 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 11 b Abs....

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