Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Vormerkungsbescheid nach Erlass eines Rentenbescheides. Berechnung einer Fremdrente. Ermittlung des Gesamtbelegungszeitraums unter Berücksichtigung der beitragslosen Zeiten im Herkunftsgebiet

 

Orientierungssatz

1. Nach Erlass eines Rentenbescheides besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid. Ein solches Verfahren ist fortan unzulässig (vgl BSG vom 6.5.2010 - B 13 R 118/08 R = juris Rdnr 16).

2. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn es sich nicht um einen endgültigen Rentenbescheid, sondern um einen vorläufigen Bescheid handelt, der nur Rentenvorschüsse unter dem zumindest sinngemäßen Vorbehalt gewährt, dass für die Rentenhöhe letztlich das Ergebnis des Vormerkungsverfahrens maßgebend sei (vgl BSG vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 2/06 R = BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1).

3. Bei der Berechnung einer Rente mit nach dem FRG zurückgelegten Beitragszeiten ist im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der Gesamtbelegungszeitraum unter Berücksichtigung der beitragslosen Zeiten im Herkunftsgebiet zu ermitteln. Es sind somit nicht nur die im Bundesgebiet erworbenen Entgeltpunkte aus Beitragszeiten heranzuziehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.10.2021; Aktenzeichen B 5 R 191/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für die Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Gewährung höherer Renten wegen Erwerbsminderung.

Der 1950 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger sowjetischer Herkunft, siedelte am 6. Dezember 1990 aus C-Stadt/Poltawa (ehemalige UdSSR/Ukraine) kommend in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist im Besitz des Vertriebenenausweises „A“ und bezieht seit dem 1. März 2016 von der Beklagten vorschussweise Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 25. Januar 2016), die mit weiterem Bescheid vom 10. Februar 2016 neu berechnet wurde.

Aufgrund seines am 29. Oktober 1991 gestellten Kontenklärungsantrags stellte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen mit Bescheid vom 21. Januar 1997 die im Versicherungsverlauf des Klägers gespeicherten Daten bis zum 31. Dezember 1990 als für die Beteiligten verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie die vom Kläger im Herkunftsgebiet zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 5. Oktober 1972 bis 6. Oktober 1975, vom 31. Oktober 1975 bis 25. April 1979, vom 23. Mai 1979 bis 26. Januar 1987 und vom 30. Januar 1987 bis 13. November 1990 als glaubhaft gemacht zu 5/6 und lehnte außerdem die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1967 bis 27. Oktober 1967 als Anrechnungszeit ab. Seinen hiergegen mit Schreiben vom 2. Februar 1997 erhobenen Widerspruch nahm der Kläger später wieder zurück.

Das nachfolgende Kontenklärungsverfahren, im Zuge dessen der Kläger unter anderem angab, vom 1. September 1967 bis 26. Juni 1972 eine Hochschulausbildung absolviert zu haben, schloss die LVA Hessen mit Erlass des Bescheides vom 22. Oktober 2003 ab. Sie habe geprüft, ob und welche der angegebenen Zeiten für die gesetzliche Rentenversicherung erheblich seien und anerkannt werden könnten. In welchem Umfang die Zeiten einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeiten anerkannt würden, sei erst im Leistungsfall zu entscheiden. Grundsätzlich könnten Ausbildungszeiten jedoch nur ab Vollendung des 17. Lebensjahres bis zur Höchstdauer von insgesamt acht Jahren als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Aus dem zum Bestandteil des Bescheides erklärten Versicherungsverlauf geht hervor, dass die Zeiten bis zum 31. Dezember 1996 verbindlich festgestellt seien.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2006 und 19. Juni 2006 beantragte der Kläger unter Vorlage zweier Arbeitgeberbescheinigungen vom 12. Mai 2006 und 25. Mai 2006 bei der Beklagten die Rücknahme des Bescheides vom 22. Oktober 2003 mit der Begründung, dass die Zeiten vom 23. Mai 1979 bis 26. Januar 1987 und vom 30. Januar 1987 bis 13. November 1990 als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen seien.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. November 2006 zurück. Der Bescheid vom 21. Januar 1997 sei rechtmäßig ergangen und daher nicht zurückzunehmen.

Am 18. Dezember 2006 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage (Az.: S 24 R 600/06), mit der er sich unter anderem auch gegen die Absenkung der Entgeltpunkte auf 60 v.H. (§ 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz ≪FRG≫) wandte. Diesbezüglich trennte das Sozialgericht das Verfahren ab und führte es zunächst unter dem Az.: S 24 R 715/07, später dann unter den Az.: S 11 R 890/17 und S 2 R 890/17 fort. Das unter dem Az.: S 24 R 600/06 weitergeführte Verfahren wurde nachfolgend unter ...

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